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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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kleinen Schnurrbart wachsen lassen. Er besaß einen Metallbetrieb, in dem ein Trupp schwitzender Tamilen riesige eiserne Räder für Handwebstühle herstellte, außerdem Zäune, Armaturen und allerlei Spezialanfertigungen.
    Sartaj bog nach rechts ab und rief Wasim Zafar Ali Ahmad an, um ihm zu sagen, daß sie später kommen würden. Die Straße war vor kurzem instand gesetzt und asphaltiert worden, und ein steter Strom von Motorrollern und Fahrrädern rollte darüber hinweg. Die Häuser in diesem Teil Navnagars waren alt und gut in Schuß, alle mit Wasser- und Stromanschluß, viele zwei- oder dreistöckig mit Läden und Werkstätten im Erdgeschoß. Ein Gesicht schwebte über den gestaffelten Dächern, riesige, leuchtend braune Augen, die hinter einer Brüstung hervorkamen und wieder verschwanden, größer als irgendeines der Fenster, eine blau beleuchtete, schimmernde Stirn, halbgeöffnete Lippen und wehendes Haar, alles irgendwie schwerelos und überirdisch. Sartaj wußte, daß es nur ein geschickt ausgeleuchtetes Model auf einer monumentalen Reklametafel jenseits der Hauptstraße war, aber es störte ihn, so aufmerksam beobachtet zu werden. Mit gesenktem Blick ging er weiter.
    Kaum hatte Deva sie gesehen, rief er nach Erfrischungen und ließ kein Nein gelten. Ein Junge bog mit zwei Limcas um die Ecke, und Sartaj und Katekar tranken im Stehen, direkt vor der Tür der Werkstatt. Drinnen brannte kein Licht, aber durch das Dach fielen breite Sonnenstreifen herein und beleuchteten das in die Formen fließende glühende Eisen und die Gesichter der fast nackten Männer, die mit den Füßen die Blasebälge traten, hoch hinaufstiegen und dann im Zeitlupentempo wieder herabsanken.
    »Sie haben lange nicht mehr an mich gedacht, Saab«, sagte Deva.
    »Die Tamilen benehmen sich eben, Deva.«
    Deva lachte schallend. Er beugte sich in die Werkstatt hinein und übersetzte den Arbeitern Sartajs Worte. Da und dort blitzte ein strahlendes Lächeln zwischen den Funken auf. Man konnte in Navnagar leben und niemals etwas anderes als Tamil sprechen. Die Männer riefen eine Antwort durch das Fauchen und Lärmen hinaus. »Sie sagen, wir benehmen uns so gut, daß uns sogar die Rakshaks mögen«, übersetzte Deva.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hatten die Rakshaks ihren glühenden Mumbai-Patriotismus dadurch demonstriert, daß sie Jagd auf tamilische Einwanderer machten, die den anderen angeblich Arbeit und Land wegnahmen. Sartaj stellte seine leere Limca-Flasche neben die Tür. »Tja, jetzt jagen sie andere.« Strammer Chauvinismus brachte noch immer Stimmen, aber man mußte seine Feinde mit Bedacht wählen. Die Rakshaks hatten jetzt die Bangladeshi-Gefahr im Visier und forderten »unpatriotische« indische Muslime auf, das Land zu verlassen. Gleiches Spiel, andere Opfer. Sartaj winkte Deva von den heißen Schwaden weg, die aus der Tür drangen, und sie stiegen über einen Rinnstein und gingen ein Stück die Gasse hinunter. Katekar folgte dicht hinter ihnen.
    »Sie ermitteln in diesem Mordfall«, sagte Deva. »Von dem Jungen, den seine Freunde umgebracht haben?«
    »Ja. Wissen Sie etwas darüber?«
    »Nein, ich kannte keinen von den dreien.«
    »Schon mal von einem Sozialarbeiter namens Wasim Zafar Ali Ahmad gehört?«
    »Allerdings. Dieser Dreckskerl. Das ist ein ganz gerissener Bursche.«
    »Gerissen? Was treibt er denn so?«
    »Sein Vater ist Metzger, er selbst macht überwiegend Sozialarbeit, glaube ich. Aber er hat jede Menge Cousins, und die haben Kfz-Werkstätten. Zwei hier in der Gegend und eine irgendwo in Bhandup. Eine wohlsituierte Familie.«
    »Und diese Werkstätten, geht es da mit rechten Dingen zu?«
    »Halbwegs. Soviel ich weiß, handeln sie mit Ersatzteilen.« Deva hatte ein ungewöhnliches Lächeln: Er schob das Kinn vor, seine Augen verengten sich zu Schlitzen, und eine blendend weiße Zahnreihe teilte sein Gesicht in zwei Hälften. Ersatzteile konnten von überallher stammen, aus legalen Quellen ebenso wie aus dem Auto eines armen Dummkopfs. »Ein paar von den Cousins waren schon mal in Schwierigkeiten. Kein Knast, Saab, aber die eine oder andere kleine Sache da und dort.«
    »Wissen Sie, wie diese Cousins heißen?«
    »Nein. Aber mal sehen.« Deva führte Sartaj um die Ecke zu einer Bäckerei, einer weiten Halle mit Blechdach, hoch aufragenden Ofen und Reihen teigknetender Männer. Am hinteren Ende saß der beleibte Besitzer in einer kleinen Kabine, die er fast ganz ausfüllte. Er raffte seinen Lungi und seinen Bauch

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