Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
er trat zur Seite. Sartaj ging um Sushma herum und zur Tür hinaus. Ein paar Jungen, die ihnen auf der sonnigen Gasse entgegenkamen, liefen bei ihrem Anblick auseinander.
    »Dieser Wasim Zafar ist ein durchtriebener Bursche, Saab«, sagte Katekar. »Das war auch ein Schachzug gegen den Vater, nicht nur gegen die Jungen.«
    »Ja. Anscheinend hat er mit diesem Birendra Prasad ein Problem. Das hätte er uns sagen müssen, der Mistkerl.« Denn es war durchaus möglich, daß Birendra Prasad seine eigenen Beziehungen hatte. Doch das beunruhigte Sartaj nicht übermäßig. Jeder Mann und jede Frau, die man festnahm oder auch nur berührte, war Teil irgendeines Geflechts, und man konnte sich nicht ununterbrochen Sorgen darüber machen, wer wen kannte. Man war einigermaßen vorsichtig, und wenn ein Problem auftauchte, befaßte man sich damit. Trotzdem hätte Wasim Zafar Ali Ahmad sie informieren müssen. »Hier.« Sartaj gab Katekar die Kekse. Er holte sein Handy hervor und wählte. Beim zweiten Läuten nahm Wasim Zafar ab.
    »Hallo, wer spricht?« sagte er sehr schnell.
    »Ihr Baap«, sagte Sartaj.
    »Saab? Was ist los?«
    »Wo sind Sie?«
    »Nicht weit vom Revier, Saab. Ich hab hier was zu erledigen. Was kann ich für Sie tun?«
    »Sie können uns die Wahrheit sagen. Warum haben Sie uns nicht gesagt, daß Sie eigentlich gegen Birendra Prasad vorgehen wollen?«
    »Den Vater? Ach, der ist nicht das Problem, Saab. Aber er verzieht seine Söhne und bläst sich sofort auf, wenn jemand was zu ihnen sagt. Er wird von ihnen auf gehetzt. Er selbst ist ein einfacher Mann, ein Bauerntölpel im Grunde, sie sind die Mistkerle, die sich für besonders schlau halten. Sobald sie ein bißchen unter Druck gesetzt werden und Ruhe geben, wird er sich auch nicht mehr rühren.«
    »Sie haben das alles genau kalkuliert, was?«
    »Ich wollte Ihnen nichts verschweigen, Saab.«
    »Aber Sie haben uns nicht alle Informationen gegeben.«
    »Mein Fehler, Saab. Wo sind Sie im Moment?«
    »In Ihrem Raj.«
    »Wo in Navnagar, Saab? Ich bin in fünf Minuten dort.«
    »Sagen wir, in zehn Minuten. Wir treffen uns im Bengali Bura, bei Shamsul Sha.«
    »Gut, Saab. Vor seinem neuen Kholi?«
    »Ja.«
    »Okay, Saab. Ich mache mich auf den Weg.«
    Katekar aß einen Keks. »Er will sich jetzt sofort mit uns treffen?«
    »Ja. Er engagiert sich sehr für die Gerechtigkeit.«
    Katekar schnaubte. Sartaj bediente sich ebenfalls von den Keksen, und sie gingen weiter durch das Basti in Richtung Bengali Bura. Wasim Zafar Ali Ahmad wollte unbedingt mit der Polizei gesehen werden, eine Gelegenheit für ihn, seine Nähe zur Macht zu demonstrieren, seine Fähigkeit, Dinge zu regeln. Wahrscheinlich würde er herumerzählen, er selbst habe die Polizei gerufen, sie an die Ermittlungen im Mordfall Shamsul Sha erinnert, sie gedrängt, nicht lockerzulassen. In seiner Darstellung würde er der vorbildliche Bürger sein, der die Polizei in Bewegung setzt. Doch Sartaj mißgönnte ihm seine Phantasien nicht. Der Mann entpuppte sich als talentierter Politiker, auch wenn er den Fehler begangen hatte, ihnen nichts von Birendra Prasad, dem lästigen Vater, zu sagen.
    An einer Kreuzung blieb Sartaj stehen. Eine schmale Gasse führte geradeaus ins Bengali Bura, eine breitere rechts zur Hauptstraße. Sartaj wischte sich die Krümel von den Fingerspitzen und sagte zu Katekar: »Gehen wir erst mal zu Deva 157 .«
    Deva war ein alter Bekannter von Sartaj in Navnagar, ein Tamile, den er neun Jahre zuvor kennengelernt hatte, als er in Antop Hill eine Bande von vier Reifendieben festnahm. Deva hatte bei ihnen gewohnt, auf der geschlossenen kleinen Veranda ihres Kholi, und er hatte seine Unschuld beteuert: Er sei nur Untermieter und habe nichts mit den Einbrüchen zu tun, er sei gerade erst aus seinem Dorf in die Stadt gekommen und habe geglaubt, Reifenstapel in der Wohnung seien hier etwas ganz Alltägliches. Die Frische und Munterkeit des Neunzehnjährigen, die seltsam klingenden Tamil-Lieder, die er vor sich hin summte, seine Entschlossenheit, allen Mut zusammenzunehmen, obwohl es ihn in seinen Stelzenbeinen juckte - all das hatte Sartaj gefallen. Er hatte beschlossen, Deva zu glauben, und ihn in seinem Ermittlungsbericht nicht erwähnt, er hatte sich um ihn gekümmert und einige Leute wegen eines Jobs für ihn angesprochen. Mittlerweile war Deva ein höchst achtbarer Mann, er war verheiratet und hatte einen Sohn, das zweite Kind war unterwegs, und er hatte einen Bauch angesetzt und sich einen

Weitere Kostenlose Bücher