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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Sartaj.
    »Seiner, Saab?« fragte der Vater. Er stand von der Tür abgewandt, versuchte, nicht zu seinem Sohn hinzusehen.
    »Ja.«
    »Shamsul Shah.«
    »Und Ihrer?«
    »Nurul, Saab.«
    »Hatten die Angreifer Hackmesser?«
    »Ja, Saab.«
    »Wie viele waren es?«
    »Zwei, Saab.«
    »Kennen Sie sie?«
    »Bazil Chaudhary und Faraj Ali, Saab. Sie wohnen in der Nähe. Es sind Freunde von meinem Sohn.«
    Katekar schrieb in ein Notizbuch und bewegte bei den ungewohnten Namen seine zusammengepreßten Lippen.
    »Woher kommen Sie?« fragte Sartaj.
    »Dorf Duipara, Block Chapra, Distrikt Nadia, Westbengalen, Saab.« Es kam in einem Atemzug heraus, und Sartaj wußte, daß er es viele Male geübt hatte, es studiert hatte in den Papieren, die er sofort nach seiner Ankunft in Bombay gekauft hatte. Ein Mordfall unter Bengalen war ungewöhnlich, denn normalerweise zogen die Bengalen den Kopf ein, arbeiteten, versuchten ihren Lebensunterhalt zu verdienen und gaben sich alle Mühe, nicht aufzufallen.
    »Und die anderen? Auch von dort?«
    »Ihre Eltern kommen auch aus Chapra.«
    »Selbes Dorf?«
    »Ja, Saab.« Er hatte jene mit Urdu-Wörtern 647 durchsetzte Redeweise, die Sartaj im Lauf der Zeit einzuordnen gelernt hatte. Er log, was das Land betraf, in dem das Dorf lag, mehr nicht. Alles andere entsprach der Wahrheit. Vermutlich waren die Väter der Mörder und des Opfers zusammen aufgewachsen, hatten in denselben Bächen geplanscht.
    »Sind die beiden mit Ihnen verwandt?« »Nein, Saab.«
    »Haben Sie es gesehen?«
    »Nein, Saab. Man hat mich gerufen.«
    »Wer?«
    »Ich weiß nicht, Saab.« Ein Stück die Gasse hinunter war Gemurmel zu hören, ein An- und Abschwellen von Stimmen, aber es war niemand zu sehen. Keiner der Nachbarn wollte etwas mit der Polizei zu tun haben.
    »Wem gehört das Haus hier?«
    »Ahsan Naeem, Saab. Aber er war nicht da. Nur seine Mutter war im Haus. Jetzt ist sie bei den Nachbarn.«
    »Hat sie es gesehen?«
    Nurul Shah zuckte die Schultern. Niemand wollte Zeuge sein, aber die alte Dame würde nicht darum herumkommen. Vielleicht würde sie sich auf Kurzsichtigkeit herausreden.
    »Ist Ihr Sohn gerannt?«
    »Ja, Saab, er kam von da drüben. Sie waren bei Faraj.«
    Der tote Junge hatte also noch versucht, nach Hause zu kommen. Vermutlich war er bereits geschwächt gewesen und hatte Schutz gesucht. Die Tür war nur ein Stück Blech, mit drei Drähten an einem Bambusstab befestigt. Sartaj trat von der Leiche zurück, weg von dem schweren Geruch nach Blut und nassem Lehm.
    »Warum haben sie das getan? Was ist passiert?«
    »Sie haben zusammen getrunken, Saab. Es gab Streit.«
    »Worüber?«
    »Ich weiß nicht. Werden Sie sie schnappen, Saab?«
    »Wir halten alles fest«, sagte Sartaj.

    Um elf Uhr stand Sartaj mit emporgewandtem Gesicht unter einem prasselnden Strom kalten Wassers. Der Druck in der Leitung war gut, und er ließ sich Zeit, schob bald die eine, bald die andere Schulter unter den Duschstrahl. Ohne es zu wollen und trotz des Rauschens in seinen Ohren dachte er an Kamble und an Geld. Während der Zeit seiner Ehe war er ein wenig stolz darauf gewesen, daß er niemals Geld nahm, doch nach der Scheidung hatte er gemerkt, wie sehr Meghas Geld ihn vor der Welt, vor den Zwängen der Straßen, in denen er lebte, geschützt hatte. Die neunhundert Rupien Fahrtkostenzuschuß reichten kaum für drei Tage auf der Bullet 098 , und von den vielen Scheinen, die er Tag für Tag Informanten zusteckte, stammten höchstens zwei oder drei aus seiner minimalen Zulage für solche Zwecke. Für Ermittlungen im Fall eines toten jungen Mannes in Navnagar blieb nichts übrig. Jetzt nahm Sartaj Geld, und er war dankbar dafür. Der Saala 541 Sardar 558 gehört nicht mehr zu den reichen Säcken, er ist aufgewacht: Sartaj wußte, daß seine Kollegen so redeten, und zwar mit Genugtuung, und sie hatten recht. Er war aufgewacht. Er holte tief Luft und drehte den Kopf so, daß ihm der harte Strahl zwischen die Augen trommelte. Das Prasseln füllte seinen Kopf vollständig aus.
    Im Wohnzimmer war es still. Schlafen konnte er noch nicht, das wußte er, so müde er auch war und sosehr er sich danach sehnte. Er lag auf dem Sofa, eine Flasche Royal-Challenge-Whisky und eine Wasserflasche neben sich auf dem Tisch. In gleichmäßigen Abständen nahm er genau bemessene kleine Schlucke. Zwei große Gläser gönnte er sich am Ende eines Arbeitstages, und neuerdings mußte er gegen das Verlangen ankämpfen, drei zu trinken. Er lag so, daß er aus dem

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