Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
Mond hing über uns, sanft und rundlich. Ich atmete tief ein, roch den Duft von Jasmin. Wie schön, dachte ich. Diese Welt ist schrecklich, und sie ist vollkommen.
    »Es steckt eine Menge Geld für Sie drin, Bhai«, sagte Bipin Bhonsle. »Und Sie wissen, daß Sie mit uns zusammenarbeiten sollten. Wir müssen das hinduistische Dharma 167 beschützen. Unbedingt.«
    »Ganz ruhig«, sagte ich. »Ich mache es ja. Ich bin dabei.«

Menü
    Eine Frau in Not

    A m Dienstagmorgen warteten fünf Nachrichten von einer gewissen Mrs. Kamala Pandey auf Sartaj. Er schloß die Augen und versuchte sich durch die glatte weiße Fläche seiner Kopfschmerzen hindurch zu erinnern, wer Kamala Pandey war. Es war ein Whisky-Kopfschmerz, stetig und hartnäckig. Die Morgengeräusche des Reviers malträtierten seinen Schädel: die debattierenden Polizisten draußen im Flur, auf Beton platschendes Wasser, das gleichmäßige Schaben eines Besens, das durchdringende Geschrei der Krähen, das gequälte Stöhnen eines Häftlings, der nach dem Verhör humpelnd in die Zelle zurückgeführt wurde. Am liebsten wäre Sartaj wieder nach Hause gefahren und hätte sich schlafen gelegt. Aber der Tag fing gerade erst an.
    »Hat diese Kamala Pandey gesagt, was sie will?« fragte er Kamble.
    Kamble kramte ungeduldig in seinen Schreibtischschubladen. Er hatte bereits mit seinem Kontaktmann beim Sondereinsatzkommando über eine freie Stelle dort gesprochen und benahm sich, als sei er bereits weit über das tägliche Einerlei, das übliche Chaos eines Vorstadtreviers erhaben. »Nein. Ich hab sie gefragt, aber sie hat gesagt, es sei privat. Sie hat auch nur eine Handynummer hinterlassen.« Er schaute grinsend auf. Für ein anzügliches Grinsen hatte Kamble immer Zeit. »Klang nach einer ganz heißen Braut, Boß. Tadelloser Klosterschulakzent. Ihre Freundin, oder was?«
    »Nein, aber der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    Kamble knallte die Schubladen zu. »Jedenfalls gibt's da Ärger, Boß«, sagte er und begann die Regale hinter seinem Schreibtisch abzusuchen. »Wenn eine Frau fünfmal am Tag anruft, ist sie entweder in einen verliebt, oder sie steckt in irgendeinem Schlamassel. Ich hab sie gefragt, ob ich ihr helfen kann, aber das wollte sie nicht. Nein, es muß Inspektor Sartaj Singh sein.« Er wandte sich um, in der Hand die Akte, die er gesucht hatte. »Dieses maderchod Revier ist die reinste bhenchod Müllhalde«, sagte er mit einem breiten, vergnügten Lächeln.
    »Sie verlassen uns bald?« fragte Sartaj.
    »Allerdings. Bald, bald.«
    »Woran hängt's noch?«
    »Der Preis ist gestiegen. Mir fehlt noch was. Nicht viel, aber genug.«
    »Na, Sie werden sicher alles tun, um das reinzuholen.«
    Kamble schüttelte die Akte zu Sartaj hin. »Ein bißchen was hier, ein bißchen was da. Ich muß zum Gericht.« Er schob die Akte in eine braune Kunstledermappe. »Gehen Sie heute abend mit mir aus, Boß? Ich mach Sie mit ein paar netten Mädchen bekannt.«
    »Ich bin verabredet. Sie müssen allein gehen.« Kamble verbrachte seine Abende mit Barmädchen in wechselnder Besetzung. Es gab immer eine, die allmählich zu alt wurde, eine in den besten Jahren und eine, der er half, in dem Geschäft Fuß zu fassen. »Viel Spaß. Und seien Sie vorsichtig«, sagte Sartaj. Aber er wußte, daß Kamble kein bißchen vorsichtig sein würde. Er strotzte nur so vor Selbstbewußtsein und Draufgängertum. Die Methoden, mit denen er das Geld zusammenbekam, um in das Sondereinsatzkommando aufgenommen zu werden, gefielen ihm, und er freute sich schon auf jede Menge Action und Geld wie Heu. Er war jung, er fühlte sich stark, er hatte einen Revolver im Gürtel, und er war überzeugt, daß er das Leben seinem Willen unterwerfen konnte.
    »Dann müssen Sie sich heute um sich selbst kümmern, Sardar-ji.« Kamble wirkte gesund und rosig in seinem Twillhemd und den neuen schwarzen Jeans. »Rufen Sie mich auf dem Handy an, wenn Sie sich's anders überlegen. Oder wenn Sie bei irgendwas Hilfe brauchen.« Und er stolzierte mit der Mappe unterm Arm davon.
    Sartaj sank auf seinen Stuhl. Kambles Überheblichkeit störte ihn nicht weiter. Er gewöhnte sich allmählich an den Gedanken, daß er verbraucht war, daß er den Zenit seiner Karriere erreicht hatte und es nicht viel weiter bringen würde als sein Vater. Er wußte, daß er in keinem Film der Held sein würde, nicht einmal im Film seines eigenen Lebens. Dabei war er einmal ein vielversprechender junger Aufsteiger gewesen. Daß er der einzige

Weitere Kostenlose Bücher