Der Pate von Bombay
seine Leute die Bomben gelegt hatten. Natürlich, natürlich. Es war schon über unsere handzahmen Polizisten durchgesickert, bevor es im Fernsehen verkündet wurde: daß in der Zeit des gärenden, aufwallenden Zorns nach der Zerstörung der Moschee und nach den Unruhen junge Moslems erst nach Dubai und von dort nach Pakistan geflogen worden waren, wo man sie ausbildete. Daß Suleiman Isas äußerst erfahrene Schmuggler auf dem Seeweg ölverschmierte Pakete mit RDX 531 ins Land gebracht hatten, daß die frisch Ausgebildeten daraus Bomben mit Zeitzündern gebaut, diese in Autos und Motorrollern deponiert und die Fahrzeuge dann in den belebtesten und bekanntesten Teilen der Stadt abgestellt hatten. Es war die Rache für die Unruhen, für die vielen Moslems, die getötet worden waren.
Mein unvermeidlicher Krieg gegen Suleiman Isa, der Krieg zwischen unseren Companys, dauerte schon lange an, und es würde ein ewiger Kampf bleiben. Doch nun trat seine Verflechtung mit einem anderen, größeren Krieg zutage. Es war ein Spiel voller Verästelungen und Verknüpfungen, verführerisch und unendlich gefährlich. Als klar war, daß Suleiman Isa hinter den Bomben steckte, fragte ich mich, wie eine angemessene Reaktion aussehen konnte. Wo bot sich eine nächste Gelegenheit?
Es dauerte eine Weile, viele Monate, doch die Gelegenheit kam unweigerlich. Sie kam einen Tag nach der Geburt meines Sohns. In Gopalmath wurde bunt und laut gefeiert, und ich hatte das Haus voller Leute. Ich war selbst noch ein bißchen wackelig von der ungewohnten, schubweise in mir aufsteigenden Freude, diesem völlig neuen heißen und hilflosen Gefühl, das mich überfiel, wann immer ich in das runzlige Gesichtchen meines Sohns hinunterschaute.
Mitten in diesem ganzen Trubel rief Bipin Bhonsle an und bat um ein Treffen. Er war mittlerweile nicht mehr nur MLA, sondern auch Parteivorsitzender, deshalb mußten wir doppelt und dreifach vorsichtig sein und trafen uns in einem Ferienort auf Madh Island. Sie hatten einen Privatbungalow abseits von all den anderen Häuschen gemietet und erwarteten uns schon, als wir in der Abenddämmerung vorfuhren. Wir setzten uns unter die Palmen, unter einem von unzähligen Sternen übersäten Himmel. Bipin Bhonsle trank Bier, ich lehnte dankend ab. Er hatte einen Mann bei sich, den er als Mr. Sharma vorstellte. Sharma war einer jener hellhäutigen Brahmanen aus Uttar Pradesh, er sprach ein leises, gepflegtes All-India-Radio-Hindi. Er trug eine lange braune Kurta und saß mit gekreuzten Beinen auf seinem Stuhl, sehr aufrecht, als mache er gerade Yoga.
»Sharma-ji ist einer unserer Partner aus Delhi«, sagte Bipin Bhonsle. Er wackelte mit den Zehen, schob sich Cashewnüsse in den Mund und trank. Ein paar Minuten lang redete er über die politischen Kämpfe der letzten Zeit, über Rivalen, die er gedemütigt, und Gewinne, die er gemacht hatte. Dann bedeutete er seinen Jungs, sich in die Dunkelheit zurückzuziehen, rückte seinen quietschenden Aluminiumstuhl näher und beugte sich vertraulich zu mir.
»Sharma-ji braucht Ihre Hilfe, Bhai«, sagte er. »Er ist ein sehr guter Freund von mir. Natürlich nicht in unserer Partei, aber wir verstehen uns.«
»Was für eine Art von Hilfe?«
»Diese Moslems, Sie wissen schon.«
»Ja«, sagte ich. »Was ist mit ihnen?«
»Der Krieg ist noch nicht zu Ende, Bhai«, sagte er. »Sie sind hier. Es werden mehr. Sie werden wieder gegen uns vorgehen.«
»Oder Sie gehen gegen sie vor.«
»Nach dem, was dieser Dreckskerl Suleiman Isa getan hat, werden wir sie vernichten müssen. Sie leben hier, aber im Grunde ihres Herzens sind sie maderchod Pakistanis, Bhai. Das ist die schlichte Wahrheit.«
»Was wollen Sie von mir?«
Diesmal antwortete Sharma. »Wir brauchen Waffen.«
»Die Paschtunen schmuggeln Waffen durch Kutch und Ahmedabad. Die werden Ihnen verkaufen, was Sie brauchen.«
»Sie sind Paschtunen, Bhai-sahib«, sagte Sharma, und jetzt lag Stahl unter seinem weichen Tonfall. »Wir können ihnen nicht trauen. Wir wollen unser eigenes Versorgungssystem. Wir brauchen stetigen Nachschub.«
»Es gibt doch sicher auch im Norden Companys.«
»Aber keine Organisation wie Ihre. Wir wollen Material auf dem Seeweg heranschaffen. Wir brauchen jemanden, der die Waffen weiterleitet. Die anderen haben Suleiman Isa.«
»Und Sie wollen mich?«
»Genau.«
Ich lehnte mich im Stuhl zurück, reckte mich. Suleiman Isa war der muslimische Don, also war ich der Hindu-bhai. Es war notwendig. Ein niedriger
Weitere Kostenlose Bücher