Der Pate von Bombay
komm«, rief er. »Schnell!«
Sartaj glitt neben ihm auf den Sitz. Ein neuer, sehr zarter Duft hing in dem Wagen.
»Angenehm, nicht wahr?« sagte Parulkar. »Nennt sich Nektarfrische. Kommt von da, siehst du?«
Ein Aluminiumröhrchen mit Lamellen an einem der Lüftungsschlitze im Armaturenbrett blinkte rot, was vermutlich bedeutete, daß es in diesem Moment Nektarfrische verströmte. »Aus Amerika, Sir?« fragte Sartaj.
»Ja. Geht's dir gut, Sartaj?«
Parulkar war gerade von einem zweiwöchigen Aufenthalt in Buffalo zurück, wo seine Tochter als Wissenschaftlerin an einer Universität arbeitete. Er wirkte ausgeruht und zufrieden, fast wie der Parulkar von einst. »Sie sehen gesund aus, Sir«, sagte Sartaj.
»Das kommt von der sauberen Luft in Buffalo. Ein Morgenspaziergang dort wirkt ungeheuer belebend, das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
»Nein, kann ich wirklich nicht.«
»Ich hab dir auch was mitgebracht, Sartaj, einen tragbaren DVD-Player. So klein« - er beschrieb mit Daumen und Zeigefingern ein Quadrat - »und ein absolut scharfes Bild. Den kann man überallhin mitnehmen. Ideal für einen Polizisten.«
»Das ist ja wunderbar, Sir. Aber das wäre doch nicht nötig -«
»Are, erzähl mir nichts von wegen nötig oder nicht nötig. Ich weiß, was du nötig hast. Komm zu mir nach Hause, morgen oder übermorgen, dann reden wir. Und du kannst auch gleich den Player mitnehmen.«
»Ja, Sir. Vielen Dank, Sir.«
Parulkar klopfte Sartaj auf die Schulter und entließ ihn. Sartaj dachte an den DVD-Player und machte sich Sorgen. Jetzt würde er sich DVDs kaufen oder wenigstens ausleihen müssen, denn Parulkar würde ihn garantiert danach fragen. Aber vielleicht war das ganz gut so. Parulkar wußte tatsächlich besser, was er brauchte, als er selbst. Ein bißchen Unterhaltung war möglicherweise genau die richtige Medizin für ihn, sie würde ihn beleben wie ein Morgenspaziergang in Buffalo. Wo in Amerika lag Buffalo eigentlich? Und warum hieß es Buffalo?
Sartaj saß bei einer Coca Cola in seiner gewohnten Nische im Sindur. Das Restaurant war vor kurzem renoviert worden und hatte neue, festlich wirkende rote Tische und eine neue Speisekarte, jetzt auch mit Gerichten aus Bengalen und Andhra Pradesh. Sartaj suchte sich gerade ein Bengali-Dessert aus, als Shambhu Shetty hereinkam. »Hallo, Saab«, sagte er und nahm Platz. Sie hatten sich vor einer Woche zuletzt gesehen, als Sartaj die monatliche Abgabe der Delite Dance Bar an das Revier kassiert hatte. Shambhu hatte sich wie immer über notwendige Razzien und steigende Preise beklagt und Sartaj von seiner traumhaften Trekkingtour durch die Wälder von Arunachal Pradesh erzählt. Heute kam er mit verheißungsvollen Neuigkeiten: Er hatte sich verlobt. Nachdem er von der breiten Palette weiblicher Reize gekostet hatte, die seine Bar ihm täglich bot, wollte er nun häuslich werden. »Das alles war nur der Vorspann, Yaar«, sagte er zu Sartaj. »Jetzt kommt der Hauptfilm.« Die Hauptdarstellerin in Shambhus Lebensfilm war ein nettes Mädchen, das seine Eltern für ihn ausgewählt hatten, natürlich aus ihrem Bekanntenkreis. Die beiden Familien hatten gemeinsame Freunde in Pune, über die sie jahrzehntelang miteinander in lockerem Kontakt geblieben waren. Das Mädchen hatte einen Bachelor in Pädagogik, war aber bereit, ihre Berufstätigkeit nach der Heirat aufzugeben. Daß sie Jungfrau war, verstand sich von selbst und bedurfte keiner weiteren Nachfrage.
»Sehr gut, Shambhu«, sagte Sartaj. »Wann ist es soweit?«
»Im Mai. Die Karten werden Ende des Monats gedruckt, ich schicke Ihnen dann eine.«
Es war halb fünf, und das Restaurant war fast leer. Shambhu wirkte entspannt, aber energiegeladen. Er hatte Heiratspläne und außerdem Pläne für eine zweite Bar in Borivili East. Die neue Location sollte unter ein Film-Motto gestellt werden, mit Bildern von Filmstars an allen Wänden. Es würde dort verschiedene Räume für die Tänzerinnen geben, jeder mit einem anderen Dekor, zum Beispiel einen Mughalel-Azam- und einen DDLJ -Raum 154 . »Sie sollten Teilhaber werden«, sagte Shambhu. »Ich garantiere eine gute Rendite. Das wäre eine Investition für Ihre Zukunft.«
»Ich bin ein armer Mann, Shambhu«, sagte Sartaj. »An Investoren, die mit fünfhundert Rupien daherkommen, sind Sie bestimmt nicht interessiert.«
»Ein armer Mann, Sie? Obwohl Sie Gaitonde erledigt haben?«
»Ich hab ihn nicht erledigt, Shambhu. Der Mann hat sich selbst erschossen.«
»Ja,
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