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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Sikh in einer Dienststelle voller Marathen war, hatte ihm Vorteile gebracht, war aber auch eine Belastung gewesen und hatte in jedem Fall Distanz geschaffen. Er fiel auf, er war weithin bekannt, Journalisten hatten gern über den gutaussehenden Inspektor berichtet. Doch mit den Jahren war der Glanz verblaßt, und er war nur noch einer unter vielen, die bei der Polizei ihre Zeit absaßen. Er hatte seine Tröstungen, und er trottete so durch den Tag. Vielleicht ließ ihn allmählich sogar sein Gedächtnis im Stich. So lagen die Dinge. Das war die Wahrheit, die Kamble zweifellos sah, während er sich weiter aufwärtsschwang. Das Sondereinsatzkommando war in letzter Zeit sehr erfolgreich gewesen. Die Männer hatten in den vergangenen drei Monaten nicht nur irgendwelche kleinen Taporis getötet, sondern vor allem auch Suleiman Isas Leute, Schlag auf Schlag. Einer nach dem anderen war ihren Kugeln zum Opfer gefallen, und wenn es sich um wichtige Killer oder namhafte Spitzenleute handelte, hatten die Zeitungen ihre Lebensgeschichte abgedruckt. Suleiman Isa, so hatte der Regierungschef erst letzte Woche stolz verkündet, befinde sich auf dem Rückzug. Kamble würde es bestimmt in das Sondereinsatzkommando schaffen, und er würde begeistert sein.
    Sartajs Leben dehnte sich indes unentrinnbar vor ihm aus: die tägliche Plackerei, dieses chaotische Revier, wo sollte er auch sonst hin? Aber es gab zu tun. Auf seinem Ermittlungsplan standen drei Einbrüche, zwei vermißte Teenager, ein Fall von Unterschlagung und Betrug und ein Familienmord. Das übliche Elend. Und jetzt diese Anrufe von Mrs. Kamala Pandey. Wer war die Frau?
    Er wählte die Nummer, und sie meldete sich sofort. Sie schien verängstigt. »Hallo?« sagte sie. »Hallo?«
    »Mrs. Pandey?«
    »Ja, wer ist da?«
    »Inspektor Sartaj ...«
    »Ah ja. Ich muß Sie sehen.«
    »Was gibt es?«
    »Hören Sie ... bitte ...« Sie unterbrach sich. »Ich muß Sie unbedingt sehen.«
    Sie war es offenbar gewohnt, ihren Willen zu bekommen. Sartaj erinnerte sich jetzt wieder an sie. Ihr Mann hatte einen jungen Hund aus dem Fenster geworfen. Sartaj erinnerte sich auch an den Hund, ein armes kleines weißes Bündel auf dem Asphalt, mit aufgeplatztem Schädel. Mr. Pandey hatte Mrs. Pandey der Untreue verdächtigt und deshalb ihren Hund umgebracht. Mrs. Pandey hatte ihren Mann nicht anzeigen wollen, er wiederum hatte ihre Stock-und Messerattacken gegen ihn auf sich beruhen lassen. Sartaj hatte beide nicht gemocht, und Katekar hatte sie noch weniger gemocht. Katekar hätte sie am liebsten für ein, zwei Tage wegen Ruhestörung eingesperrt. Oder sie zumindest ein bißchen herumgeschubst, ihnen ein bißchen angst gemacht, diese verwöhnten reichen Säcke gelehrt, Ruhe zu halten. Einer von beiden muß irgendwann dran glauben, hatte er gesagt. Vielleicht hatte Mrs. Kamala Pandey deswegen angerufen, vielleicht lag der Mann bereits tot in einem Schlafzimmerschrank. Das hatte es alles schon gegeben. »Weswegen, Mrs. Pandey?« fragte Sartaj. »Was ist los?«
    »Nicht am Telefon.«
    »Gibt es ein Problem?«
    Sie zögerte. »Ja«, sagte sie dann. »Ich kann nicht aufs Revier kommen.«
    »Na gut. Kennen Sie das Restaurant Sindur?«

    Auf dem Weg vom Revier zur Unterführung wurde Sartaj von Parulkar angehalten, der ihm in einem nagelneuen Dienstwagen mit Eskorte entgegenkam. Sartaj wendete und folgte ihm. An der nächsten freien Stelle am Straßenrand hielt der Konvoi. Parulkars Leibwächter sprangen von ihren Jeeps, postierten sich ringsum und hielten ihre furchteinflößenden Maschinengewehre im Anschlag. In den letzten zwei, drei Monaten, seit einer weiteren von Parulkars erstaunlichen Überlebenskampagnen, waren es immer mehr geworden. Der Streit mit der Rakshak-Regierung - worum er sich auch gedreht haben mochte - war beigelegt. Mit einemmal war Parulkar die graue Eminenz, mit der sich der Regierungschef und der Innenminister jeden zweiten Tag berieten. Die Feinde waren zu Verbündeten geworden, und beide Seiten profitierten. Das organisierte Verbrechen ging zurück, Bhais, Manager und Killer wurden in so rascher Folge erschossen, daß bald keine mehr zum Erschießen übrig sein würden, zumindest bis die nächste Generation auf den Plan trat. Parulkars Welt war wieder in Ordnung. Er hatte sein Ziel erreicht und wieder einmal alle in Erstaunen versetzt. Gerüchten zufolge hatte er zwanzig Crores allein an den Regierungschef und noch viel mehr an diverse andere Staatsdiener gezahlt.
    »Komm,

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