Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
Stärke besiegt hatten. Wo waren jene Morgen geblieben, an denen wir für einen ordentlichen Kampf zu den Waffen gegriffen hatten? Wo waren die Freunde geblieben, die jene strahlenden Abende mit uns geteilt hatten? Wo waren die Lieder unseres flüchtigen Frühlings? Ich trank, hörte mir die alten Songs an und dachte an früher.
    Unterdessen bemühte sich Bunty, alles Nötige zu lernen, um unsere komplizierten Geschäfte leiten zu können. Er hatte als Scharfschütze bei uns begonnen, war in unserem Krieg gegen Suleiman Isa schon früh positiv aufgefallen und inzwischen mein wichtigster Mann. Er war voller Schwung und Selbstvertrauen. »Alle wissen, was Sie getan haben, Bhai. Von Matunga bis Dubai haben es alle erfahren. Es ist bekannt, daß Sie Suleiman Isas Mistkerle erwischt und zu Fall gebracht haben. Paritosh Shah ist gerächt. Auch dieses Mal haben Sie gewonnen.« Er sagte das, um mich aufzumuntern, wenn ich auf Autofahrten stundenlang schwieg. Ich wußte, daß ich gewonnen hatte. Und ich wußte auch, daß es keinen Sieg auf dieser Welt gibt, hinter dem sich nicht ein größerer Verlust verbirgt, daß uns in unserem Triumph immer schon irgendeine Katastrophe auf den Fersen ist. Ich wußte, daß etwas im Anzug war. Suleiman Isa. Ich schärfte den Jungs ein, vorsichtig zu sein, ich verstärkte die Sicherheitsmaßnahmen in Gopalmath, ich verbot Subhadra, aus dem Haus zu gehen. Nicht mal zum Tempel, sagte ich ihr. Du bleibst zu Hause. Sie schaute mißmutig drein, doch sie gehorchte.
    Einundzwanzig Tage nach Chhota Badriyas Tod, an einem frühen Freitagnachmittag, explodierten die Bomben. Von der ersten erfuhr ich wenige Minuten nach der Detonation, einer der Jungs rief schluchzend aus der Stadt an, Bhai, da hat ein Fuß auf dem Bürgersteig gelegen, es hat gekracht, einen Riesenschlag hat es getan, ich wußte nicht, was es war, die Leute sind weggelaufen, und niemand wußte, was los ist, ich bin mitgerannt, um die Ecke, und da lag dieser Fuß auf dem Bürgersteig, Bhai, er lag einfach da, am Schienbein abgerissen, ganz ohne Blut, und dann hat jemand um die Ecke gezeigt, und ich hab geguckt, die Börse ist weg, die Börse, sie ist explodiert, einfach weg. Es hat eine Explosion gegeben, Bhai, eine Bombe, eine Bombe.
    Ich beruhigte ihn, schickte ihn nach Hause. Es folgten weitere Detonationen, am Getreidemarkt von Masjid Bunder, in Nariman Point. Ich ließ Bunty auf der Polizeiwache von Goregaon und im Hauptquartier anrufen, und auch ich versuchte mein Glück, bekam jedoch nur immer wieder das Besetztzeichen, und dann waren die Leitungen tot, trotzdem erfuhren wir auch noch von der Explosion in der Nähe des Hauptquartiers der Rakshaks. In die geschockte Stille draußen auf der Straße mischten sich kurze hektische Rufe von Müttern, die ihre Kinder einsammelten. Ein Auto hielt an, und Bunty kam mit neuen Nachrichten: In Mahim seien Fischer bei einem Angriff ums Leben gekommen, Bomben waren vom Himmel gefallen und Männer mit Maschinengewehren an den Strand gewatet. Ich befahl allen, in ihre Häuser zurückzukehren, sich einzuschließen, bewaffnete meine Jungs und schickte sie an die Grenzen von Gopalmath, damit sie dort wachten. Abends wußten wir schließlich sicher, was geschehen war: Bewaffnete Plünderer hatten Granaten auf die Fischersiedlung geworfen, und zwölf Bomben hatten in der ganzen Stadt Betonwolken hochgejagt, hatten innerhalb von zwei Stunden zwölfmal mit katastrophischem dumpfem Krachen an den Köpfen von Männern, Frauen und Kindern gerissen, Hunderte waren getötet, Tausende verstümmelt worden. Im Fernsehen sah man die zerstörten Gebäude, wie ausgeweidet standen sie da, und die Minister und Polizisten erklärten, die Ermittlungen seien bereits im Gange, bekräftigten es wieder und wieder. Zu Hause in Gopalmath kuschelte sich meine Frau an mich, bedrückt, aber dankbar, und ich wußte, was draußen in den Straßen geflüstert wurde: Bhai hat es gewußt, er wußte, daß etwas passieren würde. Ja, ich hatte es gewußt. Ja. Ich stand schon lang genug auf diesem Schlachtfeld, um seine Rhythmen zu kennen, die Trommelschläge seiner Geschichten. Ich hatte für viele tiefe Gruben gegraben, doch ich hatte überlebt, weil ich die verborgene Aufeinanderfolge von Ursache und Wirkung kannte, ich spürte in meinen Knochen, wo der nächste todbringende Blitz niedergehen würde. Ich war wach. Ich spielte das Spiel.

    Es leuchtete völlig ein, daß, wie die Polizei wenig später bekanntgab, Suleiman Isa und

Weitere Kostenlose Bücher