Der Pate von Bombay
Gopalmath. Polizisten waren ein vertrauter Anblick in meinem Darbar 148 , sie kannten meine Adresse, wußten, wo ich wohnte. Ich hatte mich nie versteckt. Manchmal kamen sie, weil sie einen unserer Jungs suchten, manchmal, um mir Fragen zu stellen, manchmal sogar, um unterderhand eine Gefälligkeit zu erbitten. Sie waren immer willkommen, bekamen Tee und Kekse und Antworten, und dann schickte ich sie wieder fort. Diesmal war es der Muchchad Majid Khan mit drei Unterinspektoren, die ich nicht kannte, sowie zehn Beamten, alle in Zivil. »Bitte setzen Sie sich doch«, sagte ich und rief dann: »Are, bringt den Herren etwas Kaltes zu trinken.«
Aber Majid Khan setzte sich nicht. Seine Jungs verteilten sich im Raum, und er sagte: »Parulkar-saab hat heute morgen einen Haftbefehl gegen Sie erwirkt. Ich muß Sie festnehmen.«
»Ihr Parulkar-saab spinnt«, sagte ich. »Dieser Maderpat hat keinerlei Beweise gegen mich in der Hand. Und keinen einzigen Zeugen.«
»Den hat er jetzt«, erwiderte er. »Wir haben letzte Woche diesen Chutiya Nilesh Dhale aus Malad aufgegriffen. Er war mit einer Pistole bewaffnet und hatte eine weitere in einem Koffer bei sich. Parulkar-saab hat Sie am Wickel - wegen Unterschlupfgewährung für Kriminelle, Mittäterschaft und illegalem Waffenbesitz. Und da die eine Pistole in einem Koffer war, heißt das, daß sie transportiert wurde, also auch Waffenschieberei. Und dann packt er noch staatsfeindliche Aktivitäten drauf. Was braucht er mehr? Dhale singt nach zwei Ohrfeigen wie ein Vögelchen. Bis morgen wird Parulkar Ihre Mitwirkung in dem Mordkomplott gegen Mahatma Gandhi nachgewiesen haben.«
»Von mir hat dieser Scheißkerl Dhale seine Pistolen nicht gekriegt. Wegen solcher Peanuts wollen Sie mich festnehmen? Damit wird Parulkar nicht durchkommen.«
»Er muß gar nicht damit durchkommen, das wissen Sie selbst. Sie müssen nur eine Weile sitzen, mehr braucht er nicht, das wissen Sie doch.«
Ich wußte es nur zu gut: Ich lebte unter dem TADA, dem Terrorist and Disruptive Activities Act, was bedeutete, daß »eine Weile« ein Jahrzehnt sein konnte. Unter diesem Sondergesetz konnte man mich über die gesamte Dauer jeglicher Gerichtsverfahren festhalten, auch wenn sie sechs oder auch zehn Jahre dauerten, da war nichts mit einer Kaution oder dergleichen zu machen. Es konnte sein, daß man zum Schluß freigesprochen wurde, und trotzdem hatte man Jahre hinter Gittern verbracht. Deshalb waren Suleiman Isa und seine Führungsriege ins Ausland gegangen, um dem TADA und inszenierten Schießereien zu entgehen. Majid Khan war durchaus respektvoll, denn er war nur ein kleiner Inspektor und wußte von meinen Verbindungen zu den Rakshaks, die ohne weiteres schon bei den nächsten Wahlen, also im folgenden Jahr, an die Macht gelangen konnten. Im Moment regierte allerdings die Kongreßpartei, und der stand sein Parulkar-saab nahe, also mußte ich in den Bau.
»Kommen Sie friedlich mit«, bat Majid Khan geradezu ehrerbietig. »Ich habe draußen zehn weitere bewaffnete Kriminalbeamte postiert. Und gleich um die Ecke stehen zwei Mannschaftswagen. Wenn es Ärger gibt, kommt es zu einem Kampf, den keiner von uns will.«
Er sagte das, weil Bunty und zwei meiner Jungs drohend in der Tür standen. Sie sahen an meinem Gesichtsausdruck, daß etwas nicht stimmte. Draußen hörte ich angespannte Rufe und das Geräusch rennender Füße. Bunty und die Jungs könnten Widerstand leisten, aber dann wäre ich ein toter Mann. Das sagte mir ein Blick auf Majid Khan. Er war aus Sorge um seine Zukunft vorsichtig, doch wenn es hart auf hart kam, stand er zu seinem Boß - er würde abdrücken. Und es gab viele Leute, die das in höchstem Maße erfreuen würde: Suleiman Isa, Parulkar und seine Getreuen bei der Polizei, die von der Kongreßpartei gestellte und von Verbündeten Isas durchsetzte Regierung, ein Dutzend Industrielle, die uns Monat für Monat bezahlten. Nein, es wäre dumm gewesen, sich zu widersetzen, und in diesem Leben war das Gefängnis nun mal mein zweites Zuhause. Ich würde es überstehen, und zwar ganz locker, denn ich war Ganesh Gaitonde. Also beruhigte ich Bunty, sagte ihm, er solle die Geschäfte übernehmen und vorsichtig sein. Ich verabschiedete mich rasch von meiner Frau und meinem Sohn und ging mit.
Die Polizei hatte eine Untersuchungshaft für zwei Wochen erwirkt, die immer wieder verlängert wurde, insgesamt sechsmal. Ich wurde vierundachtzig Tage lang in Savara, nicht weit von Kailashpada, in einer
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