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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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verlangte dafür nicht mehr, als daß er Mitgliedern der Company, die im Revier einsaßen, die Kontakte zu ihren Familien erleichterte. Ihre Informationen waren präzise und nützlich, betrafen aber nie große Fälle oder berüchtigte Apradhis. Es war alles angenehm unbedeutend, und Sartaj empfand es als ein faires Geschäft, das auf keiner Seite Verpflichtungen schuf. Und es war irgendwie entspannend, wenn Iffat-bibi von Papa-ji erzählte. Anscheinend hatte Papa-ji über alle seine Fälle mit ihr gesprochen, und allmählich kristallisierte sich ein Bild des alten Mannes heraus, das Sartaj nirgendwo sonst hätte finden können. Papa-ji war offenbar gar nicht so eitel gewesen, wie es bei seiner Leidenschaft für zweireihige Jacketts und maßgefertigte Schuhe den Anschein haben mochte. Zumindest hatte sich das nicht auf seine Arbeit ausgewirkt. Er kannte seinen Bezirk und hatte ein Gespür dafür, was sowohl der Apradhi als auch das Opfer als nächstes tun würden. Seine Verhaftungen waren nicht spektakulär, aber sie waren häufig, sie waren stetig und real, und er hatte es nicht nötig, sie auszuschmücken, um einen Jahresbericht aufzubauschen. Er wurde respektiert, trotz seiner extravaganten Kleidung. Und seine Eitelkeit war wohl auch der Grund dafür, daß er weitgehend ehrlich blieb, zumindest insoweit es für seine Karriere von Bedeutung war. Die Vorstellung, man könnte Sardar Tejpal Singh kaufen wie einen Laib Brot im Regal, wie eine Schachtel Zigaretten, war ihm unerträglich. Sein Stolz hinderte ihn auch daran, sich seinen Vorgesetzten gegenüber unterwürfig zu verhalten: Er konnte um einen Gefallen bitten, mehr nicht; Überredung, Beschwatzen, Betteln oder Bestechung waren ihm unmöglich.
    »Ein Sturkopf war er«, sagte Iffat-bibi, »aber er hat seine Prinzipien nie verraten. Nicht daß ihm das viel gebracht hätte.«
    »Na ja, Bibi«, sagte Sartaj, »es will ja nicht jeder einen Umsatz machen wie ihre Bhais. Wie hoch ist der denn?«
    »Achttausend Crores, stand gestern in der Zeitung.«
    »Das sagt die Zeitung. Und Sie?«
    Sie schnaubte. »Bachcha, ich bin eine alte Frau, ich führe nicht Buch. Aber es reicht.«
    »Wofür? Was fängt ein Mensch mit achttausend Crores an?«
    »Jeder braucht doch ein bißchen was nebenbei. Nicht nur das Nötige. Für besondere Wünsche. Sogar Ihr Sardar-saab.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Are, nichts. Das war nur so dahingesagt.«
    Ein unbehaglicher Schauder lief Sartaj über die Schultern. Er setzte sich auf. »Das stimmt nicht. Sagen Sie mir, was Sie gemeint haben.«
    »Gar nichts.«
    »Doch, sagen Sie's mir. Machen Sie mir nichts vor, Iffat-bibi. Was meinen Sie?«
    »Sie machen viel Lärm um nichts, Beta. Ich hab ihm versprochen, es niemandem zu sagen.«
    »Ging's um eine Frau? Um Frauen?«
    »Was für eine schmutzige Phantasie Sie haben. Nein!«
    »Worum dann? Sagen Sie's mir.«
    »Sie machen aus einer Mücke einen Elefanten.«
    »Sagen Sie's mir.«
    »Er hat gewettet.«
    »Gewettet?«
    »Ja. Er liebte Pferde. Er hat bei den Pferderennen Wetten abgeschlossen.«
    »Er ist zu Pferderennen gegangen?«
    »Nein, nie, da hätte ihn ja jemand sehen und es Ihrer Mutter sagen können. Einer von meinen Jungs hat die Wetten für ihn plaziert.«
    Ja, Ma-ji mit ihrer Flüchtlings-Sparsamkeit hätte nie zugelassen, daß in ihrem Haushalt gewettet wurde. Sie kaufte auch keine Lotterielose, das sei eine einzige Geldverschwendung, meinte sie, wer glaube, er könne für eine Rupie ein Crore bekommen, der sei total verrückt. Und nun entpuppte sich Papa-ji als ein geldverschwendender, wettender Narr. Aber er hatte Pferde geliebt. Er hatte zutiefst bedauert, daß er nie reiten gelernt hatte. Beim Frühstück hatte er mit großer Sorgfalt die Sportseite der Zeitung auf dem Tisch glattgestrichen und auf ein Foto von einem Pferd gezeigt. »Seht mal, wie schön«, hatte er gesagt, aber Sartaj und Ma hatten nicht geantwortet oder gar nicht hingehört, denn er sagte das ständig. So hatte er außerhalb der Familie ein geheimes Leben geführt oder zumindest seine Geheimnisse gehabt. Sartaj hustete einen Kloß im Hals fort und sagte: »Hat er viel verloren?«
    »Verloren? Nein, er hat gar nicht erst um viel gewettet. Er hatte ein Limit von fünfzig Rupien, das er später auf hundert erhöht hat. Aber er kannte sich mit den Rennprogrammen aus. Er hat mehr gewonnen, als er verloren hat. Viel mehr.«
    Papa-ji hatte gewonnen. In dieser anderen Welt mit ihren eigenen Regeln, ihren Tragödien und

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