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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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spürte ich in den Stößen, die er mir ins Kreuz versetzte, seinen Haß, die ganze Wut, die er sonst aus Kalkül unterdrückte. Durch Parulkars explizite Anweisungen befreit, schlug er hart zu. Während des fünften Verhörs fing dieser fette Scheißkerl Parulkar an zu lachen. »Schaut euch den großen Ganesh Gaitonde an, er heult wie ein kleines Mädchen«, spottete er. Er hatte unrecht. Ich heulte nicht. Meine Tränen waren eine direkte Folge der heftigen Ohrfeigen, eine automatische körperliche Reaktion, wie sie auch Kohlenstaub in den Augen ausgelöst hätte, mit Weinen hatte das nichts zu tun. Aber dieser Maderchod Parulkar war sich seiner Sache sicher. Er beugte sich in seinem Sessel vor, um mich auszulachen, und beim Anblick seiner dicken Schweinenase, seiner kleinen Zähne wußte ich, daß er mich umbringen würde. Er war Suleiman Isas Mann, er war an seine politischen Herren gebunden, und im Gegensatz zu seinen Untergebenen war er sehr wohl bereit, mir Schmerzen zuzufügen, er würde mir die Knochen brechen, würde es nicht bei den Schlägen und dem Patta bewenden lassen, er würde mir mit Lathis auf die Fußsohlen schlagen und Elektroden an meinen Golis befestigen. Er war einen zu weiten Weg mit seinen Verbündeten gegangen, um Angst vor mir zu haben. Zwischen ihm und mir konnte es keine gütliche Einigung geben, und er würde mich quälen und leiden lassen.
    Also beschloß ich, für ihn zu weinen. Ich mußte es mit Bedacht tun, er war ein alter, erfahrener Khiladi 334 , hatte Tausende von Männern verhört und jeden einzelnen gebrochen. Er war nach oben gekommen, weil er listig war wie eine alte Krähe, sich sein Leben lang mit wachem Blick aus zusammengekniffenen stahlharten Augen vorsichtig zwischen Fallen hindurchlaviert hatte. Wenn ich zu sehr oder zu schnell weinte, würde er es bemerken, es als Schwindel entlarven. Also tat ich im Gegenteil, als schämte ich mich, als versuchte ich die Tränen zurückzuhalten, meinen Mut zusammenzunehmen. Als zuckte ich wider Willen unter den Schlägen zusammen und zerbräche allmählich. Ich schenkte ihm seinen Sieg, einen leichten Sieg, für den er dennoch arbeitete. Als ich schließlich um ein Ende flehte, glänzte er fett vor Stolz und Befriedigung. »Dann gib mir etwas«, sagte er. »Gib mir etwas, dann kannst du in deine Zelle zurück. Und morgen darfst du zum Arzt und dir etwas für deinen Magen geben lassen. Zeig ihm, was dir alles weh tut.« Ich tat, was er wollte. Ich gab ihm zwei Scharfschützen, zwei kleine, die selbständig arbeiteten und sich für dreitausend Rupien verdingten. Sie arbeiteten für alle, für Suleiman Isa, für uns, für jeden, sie waren käuflich. Und ich verkaufte sie an Parulkar für etwas Frieden, ein Radio in meiner Zelle und Arztbesuche. Er war sehr erfreut, als ich ihm die drei Stellen nannte, an denen sie nächtigten, und noch erfreuter, als sie in derselben Nacht aufgegriffen und vor Sonnenaufgang erschossen wurden. Man hatte den Reportern wohl schon abends Bescheid gesagt, denn am nächsten Tag stand die Geschichte in den Nachmittagszeitungen, samt Fotos der Leichen.
    Von nun an vertraute er auf seine Macht über mich. Gleich am nächsten Nachmittag schickte er mich zum Arzt, einem Arzt, der auf die Wache kam und mich in dem Raum neben Parulkars Büro untersuchte. Er drückte auf meinem Bauch herum, schrieb ein Rezept aus, sagte, ich sei zu angespannt, und ging. Ich reichte das Rezept dem Polizisten, der mich hergebracht und die Untersuchung überwacht hatte. Der Mann hieß Salve. Ich redete mit ihm. Ich sagte, er solle mir die Medikamente besorgen, mein Anwalt werde ihm das Geld dafür geben. Und mein Anwalt werde ihm bei allem behilflich sein, was er brauche, Salve könne sich auf mich verlassen. Wir könnten Freunde sein. Freunde seien etwas Kostbares auf dieser Welt, in diesem Kaliyug 309 , in dem wir lebten. Salve hatte Angst, doch er hörte zu. Mein Anwalt gab ihm das Geld für die Medikamente und dazu etwa das Zehnfache als Trinkgeld. Hier, sagte er zu Salve, ein Geschenk von Bhai. Ein Mann wie Salve mit seinen drei Kindern, seiner Frau und seiner aus Mutter, nicht mehr arbeitendem Vater und verwitweter Schwester samt Kindern bestehenden Großfamilie, ein solcher Mann braucht Geld. Er kann nicht ohne. Also nahm Salve mein Geld an, und damit hatte ich eine Verbindung nach draußen zu meinen Jungs. Schon vorher hatte mein Anwalt Botschaften übermittelt und mir Neuigkeiten gebracht, aber es war gut, Salve zu haben. Er

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