Der Pate von Bombay
verborgen hatten, hervorzuziehen und wahr werden zu lassen. Das machte ihnen angst. Ich hatte Männer dazu gebracht, mir zu gestehen, daß sie ihren Vater am liebsten umbringen würden, und Frauen, daß sie sich wünschten, ihre diebischen Brüder würden zusammengeschlagen werden. Ich wußte also, was zu tun war.
»Erzählen Sie mir von sich, Advani-saab«, sagte ich. »Wo sind Sie geboren?«
Seine Selbstbeherrschung wich einem erleichterten breiten Lächeln. »Ich bin in Bombay geboren, in Khar. Aber mein Vater stammt aus Karatschi. Die haben bei der Teilung alles verloren, wissen Sie.« Und dann erzählte er mir von seiner ebenfalls aus Karatschi stammenden Mutter - wie sie in einem brennenden Zug von seinem Vater getrennt wurde und wie die beiden sich auf einem Bahnsteig in Delhi wiedergefunden hatten. »Es war wie im Film«, sagte er. »Sie waren auf verschiedenen Bahnsteigen, Nummer drei und vier, der Amritsar Mail fuhr aus, und da haben sie sich gesehen. Papa-ji ist quer über die Schienen gerannt.« Und er erzählte weiter, von ihrem neuen Leben in Bombay, der Geburt von zwei Söhnen und drei Töchtern, seinen eigenen Jahren am National College. Wie er sich hatte abmühen müssen, bis er endlich Fuß gefaßt hatte. Unterdessen spazierte ich in seinem Büro herum, schaute in seine Schränke, verschob seine Aktenordner. Es gab keine Fotos von seiner Familie, aber eines von ihm mit Raj Kapoor 513 . Er hatte gerade von seinen Kindern berichtet, von seiner Tochter, die einen in die USA übergesiedelten Jungen geheiratet hatte, war dann jedoch irgendwie wieder auf seinen Vater zu sprechen gekommen, der mit Filmstars persönlich bekannt gewesen war. »Papa-ji hat Pran-saab schon in Karatschi gekannt«, sagte er. »Sie haben zusammen Kricket gespielt.« Pran war also ein Langotiya Yaar 368 von Papa-ji gewesen, und die Familie hatte ihn oft zusammen bei Dreharbeiten besucht.
»Haben Sie jemals Mumtaz getroffen?« fragte ich.
»Ja«, sagte er, »zweimal. Are, sie war wunderschön. Bei manchen dieser Filmis ist das alles nur Make-up und Beleuchtung, wissen Sie. Auf der Leinwand sehen sie hell und hübsch aus, aber wenn man sie dann in der Öffentlichkeit sieht, merkt man, daß das alles gemogelt ist und man sie in einem Nahverkehrszug gar nicht bemerken würde, wenn sie nicht diesen großen Namen hätten. Aber Mumtaz, das war eine, ich kann Ihnen sagen - hell wie eine Rasgulla, was für eine Farbe, und saftig wie ein Apfel.« Er machte ein paar kleine, rundende Handbewegungen.
Jetzt hatte ich ihn. Ich winkte ihn zum Schreibtisch herüber und flüsterte: »Advani-saab, haben Sie je so einen Apfel gegessen?« Er schüttelte lachend den Kopf, warf die Hände hoch, tat die Vorstellung ab, aber ich insistierte. »Nein, wirklich, ich meine das ganz ernst, bei vielen dieser Stars läßt sich das einrichten.«
»Nein«, sagte er. »Nein, das glaube ich nicht. Das behaupten immer alle.«
»Wollen Sie damit sagen, daß ich lüge?«
»Nein, nein. Aber.«
»Keine Sorge, Advani-saab. Sie werden schon sehen. Ich besorge Ihnen ein Äpfelchen.«
Er stotterte herum, protestierte wie ein Gast, der etwas der Form halber ablehnt, aber ich war mir meiner Sache sicher. Ich ging zur Baracke zurück. Dort rief ich Bunty an und sagte ihm, daß wir einen Filmstar für den Gefängnisdirektor brauchten. »Aber, Bhai«, wandte er ein. »Wo soll ich denn einen Filmstar herkriegen?«
»Mistkerl«, sagte ich. »Du bist der König von Bombay und kannst keinen Filmstar auftreiben? Chutiya. Ruf diese Frau an.«
»Was für eine Frau?«
»Chhota Badriya hat immer Mädchen von ihr gekriegt. Schau in seinem Terminkalender nach, da findest du bestimmt ihre Telefonnummer. Und wenn nicht da, dann hat er sie irgendwo anders aufgeschrieben. Spür sie auf. Eine Jojo oder Juju oder so.«
»Ja, Bhai. Sonst noch was?«
Ich schwieg. Da war noch etwas, irgend etwas steckte wie ein Sandkorn im Getriebe meines Denkens. Ich hatte gelernt, auf diese Art vager, lästiger Empfindung zu achten. Und Bunty hatte gelernt zu warten. Ich ließ es an die Oberfläche steigen. »Okay, Bunty. Da ist noch etwas. Dieser Sharma-ji, hat der jemanden dabei, wenn er seine Ware abholt und bezahlt?«
»Die Fahrer der Lastwagen, ein paar Verlader, ein paar Wachen. Die Nummernschilder sind aus UP«
»Wissen wir sonst noch etwas über ihn, über seine Hintermänner?«
»Nein, Bhai.«
»Wir müssen mehr wissen. Mir gefällt das nicht, solche Geschäfte mit Leuten zu machen,
Weitere Kostenlose Bücher