Der Pate von Bombay
groß. So was hat es nur ein einziges Mal gegeben - erinnern Sie sich an diese Frau, Kamardun Khan?«
»Drogenschmugglerin, stimmt's?«
»Ja, sie hat allein gearbeitet, hat Brown Sugar geschoben. Sie war im Gefängnis in der Arthur Road, und ihr Freund, Karan Pradhan, war in der Männerbaracke.«
»Der aus der Navlekar-Company?«
»Ja genau, der. Diese Kamardun Khan hat Karan Pradhan wirklich geliebt. Also ist sie immer wieder über die drei Meter hohe Mauer ihrer Baracke geklettert und in den großen Gefängnishof gesprungen. Sie hat die Wachen und die Aufseher bestochen und viele, viele Nächte bei ihrem Liebsten in der Männerbaracke verbracht.«
»Was für eine Frau.«
»Es heißt, sie hätte ab und zu auch den Wachen eine kleine Kostprobe gegeben, nur damit sie zu Karan Pradhan konnte.«
»Das nenne ich Liebe.«
»Als sie wieder draußen waren, hat sie ihm ein Auto geschenkt. Einen nagelneuen Contessa.«
»Lebt er nicht mehr?«
»Die Jungs aus Dubai haben ihn erledigt, vor seiner Garage. Sie haben ihn in seinem Contessa umgebracht.«
»Und sie?«
»Sie ist durchgedreht. Hat versucht, gegen Suleiman Isa zu kämpfen. Sie hat schießen gelernt und sich mit einem Polizei-Inspektor eingelassen. Sie dachte, er würde ihr helfen, Rache zu nehmen.«
»Aber?«
»Die Jungs aus Dubai haben sie erstechen lassen. Es heißt, der Inspektor hätte sie an die S-Company verkauft, ihnen gesagt, wo sie sie finden können.«
»Das nenne ich tragisch.«
Er seufzte. Einen Moment lang dachte ich, er würde gleich einen Mukesh-Song anstimmen. Doch er riß sich zusammen und sagte: »Diese Geschichte ist voller Dramatik, voller Emotion, voller Tragik.« Woraufhin wir in schallendes Gelächter ausbrachen. Wir gackerten so lange herum, bis die anderen Jungs anfingen, über unser Gelächter zu lachen, über unsere Hysterie.
»Soso«, sagte ich dann, »in der Navlekar-Company gibt es also Jungs, die so kühn sind und so gut aussehen, daß Frauen für sie über Mauern springen. Was werden meine Jungs wohl für mich tun?«
»Eine Frau kann ich Ihnen nicht besorgen, Bhai«, sagte Date. »Aber da wäre noch die andere Baracke.«
Ich wußte natürlich, welche er meinte. »Der Baba-Raum?«
»Es gibt da einen Jungen«, sagte Date, »der hat einen Gaand, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Wenn Sie den sehen, würden Sie schwören, daß es Mumtaz' Hintern ist.«
»Wieviel?« fragte ich.
»Dreihundert für den Aufseher, fünf für die Wache. Und etwa hundert für den Gaari 201 .«
»Gut. Besorg fünf Gaaris.«
»Fünf, Bhai. Einen für Sie, einen für Kataruka und einen für mich?«
»Und je einen für die beiden Helden-Brüder.«
»Aber Mumtaz kriegen Sie, Bhai. Sie werden schon sehen.«
Nachdem ich das Geld abgezählt hatte, dauerte es keine halbe Stunde, bis sie da waren. Und dann wurde im Dunkeln heftig gestöhnt. Unter meinen Fingern fühlte sich der Gaari tatsächlich wie Mumtaz an. In meiner frühen Zeit in der Stadt, als ich noch auf dem Bürgersteig gelebt und auf Zement geschlafen hatte, hatte ich es mit Jungen getrieben. Doch nun kannte ich die Frauen, also schloß ich die Augen und sah Mumtaz. Sie keuchte unter mir. Danach war ich entspannt und schlief gut.
Am nächsten Morgen fand ich, in meinem Tiffin versteckt, ein in Plastik gehülltes Mobiltelefon. Es ähnelte einem kleinen Backstein, war fest und schwer und hatte ein eigenes Ladegerät. Date und Kataruka saßen neben mir, während ich das Plastik entfernte. Ein eingerollter Zettel war mit einem Gummiband an dem Handy befestigt. »Mit der PWR-Taste einschalten. 022 wählen, dann meine Nummer, dann OK drücken«, stand in Buntys Schrift darauf. Wir folgten der Anweisung, und er nahm sofort ab. »Wer ist dran?« fragte er.
»Dein Baap.«
»Bhai!«
»Wo hast du das Ding her?«
»Frisch vom Schiff, Bhai. Sehr teuer. Aber klasse, oder?«
»Erstklassig.«
»Sie sind der erste in der Stadt, der eins hat, Bhai.«
»Tatsächlich?«
»Na gut, vielleicht der dritte oder vierte.«
Er übertrieb natürlich. Es gab damals, in jenen lang zurückliegenden Tagen, wahrscheinlich ein paar Dutzend reiche Säcke, die schon Mobiltelefone hatten, aber von den Companys war unsere die erste, die Handys im großen Stil nutzte. Und dieses hier im Gefängnis war unser erstes. Ich war sehr zufrieden mit Bunty, er war ein Mann mit Weitblick, ging mit der Zeit. Wir redeten über Organisatorisches. Es gab viel zu besprechen. Da war einmal das Alltagsgeschäft - das
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