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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Eintreiben von Schutzgeldern, unsere Interessen im Immobilienhandel, unser Import von Elektronik und Computerbauteilen, unsere Barinvestitionen in der Unterhaltungsindustrie. Und zum anderen der Waffenschmuggel, ein Projekt, das besonders viel Aufmerksamkeit erforderte, wir mußten idiotensichere Pläne entwickeln, größte Sorgfalt auf Einzelheiten verwenden. Wir organisierten im Schnitt nicht mehr als eine Lieferung pro Halbjahr, die Ware war sehr schwer und ließ sich weder gut verstecken noch gut transportieren. Doch der Wert einer solchen Schiffsladung ging in die Crores, und bisher waren wir auf ganzer Linie erfolgreich gewesen, unser Kunde war zufrieden. Wir setzten meine alten Freunde Gaston und Pascal ein, nur ihr Schiff mit einer minimalen Besatzung, die allerdings, bedingt durch dieses Geschäft, bestens ausgerüstet war. Bunty und ich besprachen das alles, wobei wir selbstverständlich Codewörter benutzten: AK-47 bezeichneten wir als Besen, Munition als Süßigkeiten, und ein Trawler war ein Bus. Bei dieser Waffengeschichte war unser einziger Kunde Sharma-ji, der immer pünktlich war und seine beträchtlichen Zahlungen fristgerecht leistete, in seinen perfekten weißen Dhotis stets perfekt gekleidet. Bunty hatte keinerlei Beanstandungen, was Sharma-ji betraf, und ich auch nicht. Schließlich gab es noch die Frage, ob wir einige kleine Splitter-Companys beim Transport von Drogen über Bombay nach Europa unterstützen sollten. Bunty hatte in der Vergangenheit dafür plädiert, direkt in den Drogentransit einzusteigen, wegen der hohen Gewinne und auch, um gegen die Marktdominanz der Paschtunen anzugehen. Aber ich hatte das immer abgelehnt: Da es keine örtliche Produktion gab, würden die Gewinne nicht hoch genug sein, um die Preisgabe unseres Slogans »Drogen rühren wir nicht an« zu rechtfertigen. Die Company konnte Schaden nehmen, wenn sie zu schnell expandierte. Konsolidieren, konsolidieren, war meine Devise. Ich sagte Bunty, er solle den Drogenhändlern unsere Logistik und Männer zur Verfügung stellen, dabei jedoch vorsichtig bleiben, Distanz halten.
    »Ja, Bhai«, sagte er. »Ihr Akku ist wahrscheinlich bald leer. Sonst noch irgendwas?«
    »Ich will einen Fernseher«, sagte ich. »Und einen richtigen Schrein.«
    »Kein Problem. Das kann ich bis heute nachmittag beides besorgen. Mit den Genehmigungen könnte es allerdings eine Weile dauern.«
    »Mach dir deswegen keine Gedanken«, sagte ich. »Schaff das Zeug einfach an den Haupteingang.« Ich schaltete das kleine Telefon aus, freute mich an seiner schlanken Form, an der pulsierenden Linie, die die Stärke des Signals anzeigte. Ich winkte Date zu mir. »Lad das Ding auf«, sagte ich. »Und sag der Wache, daß ich den Direktor sprechen will.«
    Nach dem Mittagessen legte ich mich ein bißchen hin und dachte über Bunty nach. Er war ein bescheidener Mann, unscheinbar, aber intelligent und in Krisensituationen eiskalt. Er war schon lange bei mir, stand mir von all meinen Männern am nächsten. Es war ein schneller Aufstieg gewesen, trotzdem fühlte ich mich nicht bedroht. Ich wußte, daß er ehrgeizig war, aber ich sah auch, daß seine Ambitionen sich darauf beschränkten, gut zu leben und respektiert zu werden. Ich hatte keine Angst, daß er versuchen könnte, mich auszustechen oder sich unabhängig zu machen und seine eigene Company aufzuziehen. Warum war er so? Warum war er es immer zufrieden, an zweiter Stelle zu stehen, während ich immer an erster Stelle stehen mußte? Ich war weder körperlich stärker noch gewiefter, ich sah auch nicht besser aus. Sein Appetit auf Frauen war so groß wie meiner, da vergaben wir uns nichts. Er war mit einer verwitweten Mutter, zwei Brüdern und einer Schwester aufgewachsen, stets am Rand bitterer Armut balancierend. Aber auch ich hatte mich ohne jedes Geld durchgeschlagen. Wir ähnelten uns in vielfacher Hinsicht, und doch war er meine rechte Hand, und ich war sein Boß. Jeden Morgen wartete er auf meine Anweisungen und nahm sie freudig entgegen. Wieso nur? Ich rief mir Buntys Gesicht ins Gedächtnis, seine Punjabi-Nase und die wippende Stirnlocke, seine rauchige Stimme und gebeugte Haltung, und ich fand keine andere Erklärung als die ganz schlichte, daß es manchen Menschen bestimmt war, Größe zu erlangen, und anderen, ihnen den Weg freizuräumen. Es war keine Schande, Bunty zu sein. Er war ein guter Mann, der wußte, wo er hingehörte. Dieser Schluß war befriedigend, und ich döste ein. Doch dann sank ich

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