Der Pate von Bombay
ihn dir rausziehe. Warum sollte ich mir die Hände schmutzig machen? Seh ich aus wie deine Mutter?«
Ich lachte. »Nein, tun Sie nicht. Kein bißchen. Aber Sie könnten mir vielleicht trotzdem helfen.«
Eine Autorikscha, die in die andere Richtung fuhr, bremste ab und kam mit einem Satz quer über die Straße auf uns zu. Die Frau griff nach der Eisenstange über dem Taxameter, noch ehe die Rikscha zum Stehen gekommen war, und schwang sich auf den Sitz. »Los«, sagte sie zu dem Fahrer.
»Paritosh Shah«, sagte ich und beugte mich in die Rikscha vor.
Mit einemmal hatte ich ihre Aufmerksamkeit. »Was ist mit ihm?«
»Ich muß ihn finden.«
»Du mußt?«
»Ja.«
Sie rutschte auf dem Sitz vor und sah mich mit unverhohlen drohendem Blick an. »Für einen Khabari 327 bist du zu schmutzig. Die versuchen immer, sauber und vertrauenswürdig auszusehen.«
»Ich bin auch keiner«, sagte ich. »Ich wüßte gar nicht, bei wem ich jemanden denunzieren sollte.«
»Steig ein.« Sie machte mir auf dem rissigen roten Kunstleder Platz, gab dem Rikschafahrer einige Anweisungen, und dann tuckerten wir durch mir unbekannte Gassen davon. Die Gebäude rückten näher zusammen, und die Straßen waren voller Menschen, die zur Seite traten, um die Rikscha vorbeizulassen. Ich schaute erst links hinaus, dann durch das ovale Fenster hinten im Stoffverdeck.
»Beruhige dich«, sagte die Frau. »Du bist in Sicherheit. Wenn ich dir etwas antun wollte, würde dir der große Ghoda in deiner Hosentasche auch nichts nützen.«
Ich schaute nach unten. Durch den fleckigen blauen Stoff hatte ich den Revolver umklammert gehalten. Ich ließ ihn los und massierte mir die rechte Hand mit der linken. »Ich war noch nie hier«, sagte ich.
»Ich weiß.« Sie beugte sich zu mir. »Wie heißt du?«
»Ganesh. Und Sie?«
»Kanta Bai 047 . Was hast du für Paritosh Shah?«
Dicht an ihrem Ohr flüsterte ich: »Ich habe Gold.« Ich rückte noch näher. »Barren.«
»Sei still, Ganesh, kein Wort davon, bis wir ausgestiegen sind.«
Die Autorikscha hielt an einem geschäftigen Bazaar mit lauter Läden, in denen Kleider en gros verkauft wurden, und Kanta Bai führte mich rasch durch gewundene, immer enger werdende Gassen. Man kannte sie hier, Passanten grüßten sie mit Namen, doch sie eilte weiter, ohne sich aufhalten zu lassen. Am Ende einer Gasse befand sich eine Mauer mit einem Durchbruch, einem zackigen Loch, unter dem zersprungene Ziegel lagen, auf der anderen Seite war ein Basti. Ich paßte auf, wo ich hintrat, während ich ihren raschen Schritten folgte. Wand an Wand standen hier die Hütten, und die Zement- und Backsteingebäude kamen sich an manchen Stellen über dem Weg so nahe, daß man meinte, durch einen Tunnel zu gehen. Männer, Frauen und Kinder traten beiseite, um Kanta Bai vorbeizulassen. Auf Fenstersimsen und in Türen saßen junge Männer, ich spürte ihre Blicke im Nacken und hielt mich aufrecht, möglichst nah bei Kanta Bai.
Zuerst roch ich die penetrante, schwere Süße von Gur 251 , dann das Erbrochene. Wir wandten uns nach rechts und kamen an einer niedrigen Tür vorbei, durch die ich Männer an Metalltischen sitzen und trinken sah. Ein Junge stellte einen Teller mit zwei gekochten Eiern auf den Tisch am Eingang, während sein Kunde sich die letzten milchigen Tropfen aus einem Glas in den Mund schüttete. Kanta Bai bog um die Ecke des Gebäudes, und ich hörte das Heulen eines Generators, das nun tiefer wurde. Sie ließ mich in einem dunklen Raum zurück, in dem sich Gur-Säcke bis zur Decke stapelten. »Warte hier«, sagte sie, also wartete ich. Der warme Geruch legte sich auf meine Schultern, braun wie Flußschlamm. Über dem unablässigen Geleier des Motors hörte ich Musik aus einem Radio im vorderen Raum, der Bar - nur die höchsten Töne, die blechernen Spitzen der Lieder, wie Luftbläschen drangen sie an mein Ohr. Ich fragte mich, wie gut Kanta Bais Produkt wohl war. Für einen Werktagnachmittag hatten sich nicht wenige Kunden versammelt, bestimmt zwanzig, die stetig an ihren Acht- oder Zehn-Rupien-Gläsern mit dem im Hinterhaus gebrannten Saadi 540 und Satrangi 566 nippten. Es war ein gutes Geschäft, die Rohstoffe waren billig und legal zu haben, die laufenden Kosten niedrig. Und nach gutem rustikalem Schnaps herrschte stete Nachfrage, so anhaltend und gewaltig wie das Fußgetrappel draußen in den Gassen. Ich beugte mich vor und konnte unter dem Türvorhang die nackten Füße von Kanta Bais Arbeitern sehen, die Böden von
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