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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Füßen herbei. Er stand in der Tür, die Arme leicht vom Brustkorb abgespreizt, und ich war mir sicher, daß er auf dem Rücken unter seinem schwarzen Buschhemd eine Waffe stecken hatte. »Gibt es irgendein Problem?«
    Es war eine Herausforderung, ganz klar, von einem harten Mann mit ausdrucksloser Miene geäußert, aber ich fühlte mich plötzlich vom schieren Wahnwitz des Moments getragen, von der Erschöpfung nach einem langen Tag und der Triebkraft meines spontanen Ärgers. »Ja, das gibt es«, sagte ich. »Ich bin es leid, auf euren Maderchod Paritosh Shah zu warten.«
    Der alte Mann fuhr auf und wollte von seinem Hocker heruntersteigen, doch Badriya sagte ganz ruhig: »Er ist ein vielbeschäftigter Mann.«
    »Das bin ich auch.«
    »Ach ja?«
    »Ja.«
    Mehr brauchte es nicht. Die Schultern des Wachmanns waren vor Panik angespannt. Er hielt das Gewehr ungeschickt umklammert, ganz vorn am Schaft, und da er ein Bein auf dem Boden und eins auf einer Querstrebe des Hockers aufgestützt hatte, saß er schief, war nicht im Gleichgewicht. Ich beobachtete ihn und ebenso Badriya. Es war absurd, mit diesem Geruch in der Nase in einem verdreckten Korridor dem Tod plötzlich so nahe zu sein; es war nicht einzusehen, daß ich fast vermögend war, aber eben doch nicht ganz; es war lachhaft, Ganesh Gaitonde zu sein, mittellos in dieser Stadt und immer am Rande stehend - das alles entbehrte jeden Sinns, und deshalb erfaßte mich ein überschäumender Eifer, ein froher, verrückter Mut. Hier. Jetzt. Hier bin ich. Also, was gibt's?
    Badriya hob langsam die Hand. »Na gut«, sagte er. »Ich seh mal nach, ob er Zeit hat.«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Okay«, sagte ich und fand Gefallen an dem englischen Wort, einem der wenigen, die ich damals kannte. »Okay, ich warte.« Die nächsten paar Minuten grinste ich den Muchchad an, was den alten Mann zunehmend verängstigte, so daß seine Hände auf dem Gewehr zu zittern begannen. Als Badriya wiederkam, war ich mir sicher, daß ich den alten Soldaten mit seinem martialischen Schnauzer durch mein Anstarren geradewegs in einen Herzanfall hätte treiben können. Doch es galt ein Geschäft abzuwickeln.
    »Komm«, sagte Badriya, und ich zog die Schuhe aus und folgte ihm in ein Labyrinth aus Fluren, die von identischen schwarzen Türen gesäumt waren. »Heb die Arme hoch«, sagte Badriya. Ich nickte, lupfte mein Hemd und zog den Bauch ein, als Badriya mir sanft den Revolver abnahm. Er ließ ihn professionell aus dem Handgelenk einmal vor- und zurückwirbeln und schaute prüfend am Lauf entlang. Dann hob er die Waffe konzentriert an die Nase. »Der ist vor kurzem abgefeuert worden.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Dreh dich um.« Badriya tastete mich rasch ab, eine Reihe leichter Klapse unter den Armen und die Oberschenkel hinauf, wobei er nur kurz auf den Barren in meinen Taschen innehielt. Er tat das ganz professionell, ohne jede Feindseligkeit, und es nahm mich für Paritosh Shah ein, daß er jemanden wie Badriya in seinem Team hatte.
    Paritosh Shah lag seitlich auf einer weißen Gadda 202 , auf ein rundes Kissen gestützt. Der Raum war ziemlich kahl, mit glänzend braunen holzgetäfelten Wänden und weißen Milchglasscheiben hoch oben unter der Decke, und er war von einer Klimaanlage auf eine Temperatur heruntergekühlt, die ich sofort als schmerzhaft empfand. Drei schwarze Telefone standen ordentlich aufgereiht neben der Gadda. Paritosh Shah war vollkommen entspannt und wies mit einer trägen Handbewegung auf einen niedrigen Schemel.
    »Setz dich«, sagte er. Ich tat wie geheißen, nahm links hinter mir Badriya wahr, hörte das Klicken der zufallenden Tür. »Du bist also dieser Junge«. Paritosh Shah war selbst nicht besonders alt, sechs oder sieben Jahre älter als ich, höchstens zehn, doch er strahlte ein enormes, schon müdes Selbstvertrauen aus. »Name?« fragte er, und irgendwie vermittelte die ganze Art, wie er auf der weichen Gadda hingegossen lag, entspannt und reglos, das eine Bein untergeschlagen, die Warnung: Versuch ja nicht, mich übers Ohr zu hauen, Junge.
    »Ganesh.«
    »Du bist ein aufbrausender Bursche, Ganesh. Ganesh wie?«
    »Ganesh Gaitonde.«
    »Du stammst nicht aus Bombay. Ganesh Gaitonde von woher?«
    »Das spielt keine Rolle.« Ich lehnte mich zurück, zog zwei Barren hervor und legte sie nebeneinander auf den Rand der Matratze.
    »Die hättest du jedem beliebigen Marvari-Juwelier 401 verkaufen können. Warum kommst du zu mir?«
    »Ich will einen fairen Preis. Und ich

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