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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Azam Sheikh habe ganze drei Rupien Trinkgeld dagelassen, nach anderthalb Stunden mit Tangdis, Shammi Kebabs und Bier. Nur einen Monat später erfuhr ich voller Genugtuung, daß Azam Sheikh wieder im Gefängnis saß; man hatte ihn gefaßt, als bei einem neuerlichen Einbruch in Santa Cruz East ein Hausmädchen aufgewacht war und geschrien hatte. Die Nachbarn hatten ihn erwischt und blutig geprügelt. Azam Sheikh hatte jetzt einen komischen Gang, eine weitere Genugtuung. Und dann war da der Name Paritosh Shah, der mir keine Ruhe ließ.
    Ich hörte ihn abermals, nachdem ich mich mit Salim Kaka angefreundet und sein Vertrauen gewonnen hatte. Wir waren nach Borivali gefahren, Mathu, Salim Kaka und ich, um schießen zu üben. Auf einer Lichtung im Dschungel hatten Mathu und ich jeweils sechs Schüsse abgefeuert, Salim Kaka hatte uns die richtige Körper- und Handhaltung gezeigt, und wir hatten geladen und nachgeladen, bis es schnell und leicht ging und ich es blind konnte. Das hatte Salim Kaka gefallen, und er hatte mir auf die Schulter geklopft. Er ließ uns beide noch zweimal schießen. Die Explosionen, lauter, als ich je gedacht hätte, fuhren mir in die Glieder, ich jubelte, und über uns flogen die Vögel in Scharen auf. »Klammert euch nicht an eure Samaan 551 «, sagte Salim Kaka. »Haltet sie sanft, aber fest, mit Liebe.« Auf einem Baumstamm war mit Kreide eine Zielscheibe aufgemalt, und ich jagte genau in ihrem Mittelpunkt die Späne in die Luft. »Mit Liebe«, sagte ich, und Salim Kaka lachte mit mir. Auf unserem langen Rückweg aus dem Dschungel, unter kahlen braunen Ästen und zwischen den allgegenwärtigen Dornenbüschen, ängstigte er uns mit Geschichten von Leoparden. Hier in diesem Dschungel sei vor nicht einmal zehn Tagen ein Mädchen beim Holzsammeln von einem getötet worden.
    »Der Leopard kommt so schnell, daß man ihn nicht sieht, man spürt nur seine Zähne im Nacken«, sagte Salim Kaka.
    »Ich schieß ihm die Augen aus«, sagte ich und wirbelte meinen Revolver herum.
    Mathu sagte: »Na klar, Maderchod, wo du ja jetzt ein Goldmedaillenschütze bist.«
    Ich spuckte aus. »Das Leopardenfell würde Geld bringen. Ich würde den Bhenchod häuten und es verkaufen.«
    »An wen denn, Chutiya?« wollte Mathu wissen.
    Ich deutete auf Salim Kaka. »An seinen Hehler.«
    »Nein«, sagte Salim Kaka. »Der ist ausschließlich an Schmuck, Diamanten, Gold und teurer Elektronik interessiert.«
    »Nicht an deinem räudigen Leopardenfell«, sagte Mathu und lachte. Später stellte sich Mathu an die Straße und wartete mit erhobenem Arm auf eine Autorikscha, während sich Salim Kaka neben mich vor eine Mauer hockte und wir pißten. Ich starrte auf die Mauer und hielt mich fest, plötzlich ungeduldig angesichts der langen Zugfahrt, die noch vor mir lag, dann der Busfahrt und dem Stück zu Fuß bis nach Hause.
    »Was ist los, Yaar?« fragte Salim Kaka. »Denkst du immer noch an dein Leopardenfell?« Er hatte kräftige, vom Tabak braun gefärbte Zähne. »Keine Sorge, du kannst dein Fell zu Paritosh Shah bringen, der nimmt alles.«
    »Zu wem?« fragte ich nach.
    »Das ist ein neuer Hehler in Goregaon 211 . Sehr ehrgeizig.«
    Inzwischen hatte Mathu eine Autorikscha angehalten, Salim Kaka schüttelte ab und stand auf, und ich erhob mich ebenfalls und machte meinen Reißverschluß zu. Salim Kaka grinste mich an, und wir gingen Schulter an Schulter hinüber. In der holpernden und ruckelnden Rikscha saßen wir all drei dicht zusammengedrängt, Salim Kaka in der Mitte, den schwarzen Beutel mit den Revolvern in der Hand. Sie gehörten ihm. Er drückte den Beutel an sich.

    Und so fuhr ich jetzt nach Goregaon, doch Paritosh Shah war einer von Hunderttausenden hier in dieser Gegend, und unter den Werbetafeln für Sex-Doktoren, Makler und Zementhändler im Bahnhof fand sich keine für ihn. Ich kaufte mir eine Zeitung, sah draußen einen Vadapau-vaala 649 und dachte über mein Problem nach, während ich etwas aß. Bei einem Glas Tee vom Chaivaala einen Stand weiter fiel mir eine mögliche Lösung ein.
    »Bidu 090 «, sagte ich zu dem Chaivaala. »Wo ist hier das Polizeirevier?«
    Ich ging zu Fuß hin, durch enge, beiderseits von Läden und fliegenden Händlern gesäumte Straßen. Die Schultern voran, schlüpfte ich rasch und wendig durch die Menge, durch den Tee wiederbelebt und begierig, den nächsten Schritt zu tun. Ich fand die Polizeiwache und lehnte mich gegenüber der länglichen, niedrigen braunen Fassade an eine Motorhaube.

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