Der Pate von Bombay
Riesenhit, größer und besser als jedes andere Pandal 471 in der Stadt. Die Vorstellung, wie sich Bunty und Priya mitten im Audienzsaal beharkten, war zum Brüllen. »Die Großmoguln drehen sich noch mal im Grab herum wegen deiner Priya. Wir sollten sie nach Pakistan schicken, sie würde diese Dreckskerle von der S-Company locker fertigmachen.«
Bunty hielt sich den Bauch vor Lachen, als er sich ausmalte, wie seine Priya über die Grenze rollte. Als er wieder reden konnte, sagte er: »Alle in Gopalmath denken an Sie, Bhai. Die Jungs glauben, Sie wären irgendwo in Europa, aber sie wollen Ihnen alle danken, wenigstens telefonisch.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sag ihnen, daß ich sie nicht vergessen habe. Aber keine Außenkontakte, Bunty. Diese paar Tage gehören allein Guru-ji.«
Es war wirklich so: Ich hatte auch Jojo kein einziges Mal angerufen, sie machte sich bestimmt schon Sorgen. Sie wußte, daß ich verreist war, aber bisher hatte ich sie auch auf meinen Reisen immer angerufen. Diesmal nicht. Es ging nicht anders. Ich mußte mich konzentrieren, mich läutern. Und so vergingen die Tage in Gebet und Kontemplation. Ich ging immer früh zum Maidan, um einen guten Platz zu kriegen. Und ich blieb bis spätabends und stellte mich wie ein ganz normaler Anhänger Guru-jis in die Schlange, um ein persönliches Darshan von ihm zu ergattern. Doch wir waren einfach zu viele, viel zu viele, und die Zeit vor Mitternacht reichte nie für uns alle. Aber ich war geduldig und kam am nächsten Tag wieder. Guru-ji führte uns durch das Opferritual, und ich hörte ihm Stunde um Stunde zu, während er uns die Veden und die Brahmanas erklärte. Ich wußte, daß ich täglich Neues lernte, und fühlte mich mit jedem Tag leichter, so als würde ein dickes Sediment aus meinem Körper hinausgespült. Oder, wie Guru-ji es formulierte, als würde ein Teil meines Karmas in der Hitze des Opfers verbrannt.
»Sie riechen sogar besser«, sagte Bunty am Morgen des elften Tages zu mir.
»Soll das heißen, ich habe vorher gestunken, du Mistkerl?« Doch ich lächelte. Ich bemerkte die Verbesserung selbst. Vielleicht war es nur der Rauch der brennenden Samagri 553 , der in meine Poren gedrungen war, oder vielleicht roch so eine von ihrer Last befreite Seele. Ich umarmte Bunty und sauste auf meinem Motorroller davon. Während der Fahrt summte ich einen Filmsong, ein Koli-Lied 347 : »Vallavh re nakhva ho, vallavh re Rama.« 653 Auf dem Gelände machte ich es mir auf meinem angestammten Platz bequem. Morgens um diese Zeit, wenn die Zelte noch leer und die Lautsprecher und Monitore noch nicht eingeschaltet waren, fühlte ich mich wirklich wie der Yajman, als wäre das alles nur für mich da.
»Heute sind Sie ja noch früher dran als sonst.«
Es war der Sardar-Inspektor. Er stand direkt hinter mir, die Daumen hinter den Gürtel geschoben, so daß sein Hemd straffgezogen wurde. Ja, das waren natürlich Sie, Sartaj. Sie in einer gestärkten khakifarbenen Uniform und einem hohen Pagdi, mit einem Lächeln auf den Lippen. Damals allerdings waren Sie für mich nur der Sardar-Inspektor. Und er war amüsiert, dieser Inspektor, freundlich.
»Ich muß so früh kommen«, sagte ich. »Sonst sitze ich wieder ganz hinten.« Ich sprach in bewußt mildem Ton.
»Auch wenn Sie weit weg sitzen, können Sie über die Monitore alles verfolgen«, sagte er. »Auf den Nahaufnahmen erkennt man bei denen doch jedes Nasenhärchen.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der Priester. Dieser Sardar war wirklich attraktiv und sehr schick mit seinem blauen Patka und den passenden Socken.
»Das ist etwas völlig anderes«, versetzte ich, und noch während ich es sagte, wurde mir bewußt, daß ich zu scharf, zu barsch war. Ich mußte ehrerbietig sein, wie jeder Normalbürger gegenüber einem Polizisten. Es war ewig her, daß ich vor einem Inspektor Angst gehabt hatte, doch jetzt mußte ich so tun, als ob. »Was ich damit meine, Sardar-saab, ist, daß die Leute heutzutage glauben, das Darshan wäre auch übers Fernsehen oder Telefon möglich. Aber die volle Wirkung des Darshan entfaltet sich nur von Angesicht zu Angesicht, von Auge zu Auge. Guru-jis Blick muß in einen eintreten, seine Stimme muß einen erfüllen. Ich habe ihn hier zum ersten Mal persönlich gesehen, und ich kann Ihnen sagen, die letzten paar Tage haben mich wirklich verändert. All die Fernsehsendungen, die ich angeschaut habe, sind nichts gegen einen einzigen Moment echten Darshans. Den Goldenen Tempel
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