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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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eine Ohrfeige. Ein Stöhnen stieg aus der Zuschauermenge auf, die sich draußen angesammelt hatte. Anand Agavane kauerte sich neben den Fernseher und hielt sich die Wange.
    Sartaj steckte den Kopf zur Tür hinaus. »Verschwindet!« herrschte er die Leute an. »Oder ihr könnt was erleben. Wollt ihr eins mit dem Lathi hintendrauf? Ihr seid hier nicht im Kino.« Veena Manes Nachbarn wichen zurück und wandten sich ab, aber Sartaj wußte, daß sie lauschen würden, daß man alles, was in einem Kholi vorging, im Nachbarkholi hörte. Er ging wieder hinein und drehte den Fernseher lauter. Ein Model in einem grünen Sari besang eine erlesene Kaffeemarke.
    »Sehen Sie sich das an«, sagte Kamble, als er durch den schmalen Durchgang wieder ins vordere Zimmer trat. Er hielt einen würfelförmigen schwarzen Anschlußstecker mit einem baumelnden Kabel hoch. »Sieht aus wie von einem Handy. Wie viele Telefone hat Ihre Aatya denn noch? Was macht sie damit, ruft sie alle zehn Minuten die Ambanis 013 an?«
    Sartaj nahm den Stecker. Er legte Anand Agavane beruhigend die Hand auf die Schulter, nahe am Hals. »Hören Sie zu«, sagte er. »Wir sind nicht hinter Ihnen her. Wir wissen, daß Sie die Frau angerufen haben, wir wissen, daß die Chokras am Apsara in Ihrem Auftrag Geld bei ihr abgeholt haben.« Anand Agavanes Puls raste unter Sartajs Fingern wie das Herz eines Vogels. »Wir wollen nur von Ihnen wissen, wer Ihr Boß ist. Wen rufen Sie an? Sagen Sie's mir. Es passiert Ihnen nichts.«
    Doch Anand Agavane war wie benommen, Augen und Kinn starr. Sartaj hatte schon öfter gesehen, wie Menschen allen Mut zusammennahmen, wenn sie sich in die Enge getrieben sahen. Anand Agavane wollte sich ehrenhaft verhalten, wollte seine Freunde schützen. Aber er würde einknicken, es würde nur einige Mühe kosten, ein längeres Verhör und den einen oder anderen Hieb. Sie würden ihn bearbeiten müssen.
    Kazimi nickte Sartaj zu und schlug Anand Agavane erneut ins Gesicht, lässig mit dem Handrücken, nur andeutungsweise, ohne viel Kraft. »Er hat dich was gefragt«, sagte Kazimi. »Antworte.«
    »Ich weiß nichts von irgendwelchem Geld«, sagte Anand Agavane.
    »Und das Handy?« fragte Sartaj. »Wo ist es?«
    Kamble nahm ein weißes Hemd von einem Haken und ließ es zu Boden fallen. Dann faßte er in die Taschen einer weißen Hose und brachte eine Geldbörse zum Vorschein. »Ein Autorikschafahrer mit so viel Geld? Dabei gehört Ihnen die Rikscha nicht mal, Sie Bastard.« Er schleuderte Anand Agavane die Hose ins Gesicht, dann fiel sie zu Boden.
    Sartaj fegte Schachteln von einem Küchenbord. Auf der anderen Seite des Herdes standen auf einem schwarzen Wandbrett Bilder der Tuljapur Devi 643 und Khandobas 331 und ein gerahmtes schwarzweißes Hochzeitsfoto. Die Braut, schmuckbehängt und mit scheuem Blick, wies eine gewisse Ähnlichkeit mit Anand Agavani auf. Es mußte Veena Aatya sein. Sartaj stieß das Bild herunter, und man hörte Glas splittern. Kazimi stellte einen Fuß auf Agavanes Hose, bückte sich und zog den Gürtel heraus. Er nahm ihn doppelt und schlug Agavane damit auf Schultern und Hüften.
    »Wenn du mich wütend machst«, sagte er, »mußt du heute die Nacht mit mir verbringen, Bhenchod, und nicht mit deiner Aatya. Und dann werde ich jede Menge Spaß haben, das sag ich dir, du aber nicht. Wo ist es, das verdammte Handy?«
    Sartaj wandte sich wieder dem Raum zu. Das Kholi sah inzwischen aus, als sei es verwüstet worden, als hätte eine Sturmbö die grellfarbigen Kalender von der Wand gefegt und zerfetzt. Aus einem umgestürzten Behälter ergoß sich guter Reis über den Boden. Beim Klatschen der Hiebe von Leder auf Haut und Kambles stetem Strom von Schimpfworten versuchte Sartaj zu überlegen. Anand Agavane hatte nahe der Tür vor dem Fernseher gesessen. Da er sich vermutlich nicht weit von der Stimme seiner Herrin entfernte, mußte das Handy hier irgendwo sein. Es gab ein Fenster mit Fensterläden, doch der zerkratzte, verzogene Sims war gerade breit genug für eine Packung Zigaretten und Zündhölzer. Sartaj schüttelte die zusammengefaltete Matratze auseinander, auf der Agavane gesessen hatte, förderte aber nur einen muffigen Geruch und ein Geriesel von Fusseln zutage.
    In der Ecke, auf Augenhöhe, hing ein Drahtkorb an einem weißen Seil. Er war leer. Vielleicht war Aatya Grießmehl, Kartoffeln und Hammelfleisch kaufen gegangen, das sie dann in den Korb legen würde, außer Reichweite der unvermeidlichen Ratten. Sie hielt ihr Haus

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