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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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letzten Silbe hätte ausgereicht, um die Milch auf dem Ofen im Innern der Hütte gerinnen zu lassen.
    »Heute bin ich ausnahmsweise mal nicht hinter Ihrem Sohn her, Amma 018 «, sagte Kazimi, ohne sich nach ihr umzudrehen. »Aber grüßen Sie ihn von mir.«
    Sie hatte noch mehr zu sagen, wurde jedoch von einem lauten, blechernen »Yeh shaam mastaani, madhosh kiye jaye« 675 aus einem Fernseher zur Linken übertönt. Ein Stück vor ihnen endete die Gasse an einer grauen, von Glasscherben und Stacheldrahtschlingen gekrönten Betonmauer. Dahinter war leeres, mit einzelnen Bäumen bestandenes Land.
    »Hier ist es«, sagte Kazimi. »Die vorletzte Tür links.«
    »Okay.« Kamble schob sich an Kazimi vorbei. »Los.«
    »Langsam«, sagte Kazimi, »langsam.«
    Sartaj legte Kamble die Hand auf den schweißnassen Rücken, um ihn zurückzuhalten, und nahm sie schnell wieder fort. »Er hat recht«, sagte er und wischte sich die Hand an seinen Jeans ab. »Wir wissen nicht, wer der Apradhi ist. Es könnte ja einer von den Taporis sein, an denen wir gerade vorbeigekommen sind. Sachte, Kamble, sachte.«
    Kamble schien nicht überzeugt, aber er ließ Kazimi vorgehen. Die vorletzte Tür links war frisch gestrichen, in einem fröhlichen Orange, mit einem weißen Ganesha über dem Türsturz. Sie stand einen Spaltbreit offen, und man hörte leise Stimmen aus einem Fernseher. Kazimi schlenderte geradeaus weiter, als wollte er bis ganz ans Ende der Gasse. Dann drehte er sich abrupt um, legte die Hand an die orangefarbene Tür und stieß sie auf.
    Sartaj sah eine Hand, die ein Knie umklammerte, einen nackten Rücken, dünne Waden. Ein Mann saß mit dem Rücken zur Tür auf dem Boden und sah fern. Er rappelte sich hoch, stand schwankend auf einem Bein und fragte: »Was soll das? Wer sind Sie?«
    Sartaj, der noch in der Tür stand, spürte Kambles warmen Atem im Nacken. »Das ist der Glatzkopf«, sagte Kamble. »Dieser Hurensohn.«
    Der magere Mensch mit der eingefallenen Brust konnte in der Tat der Glatzkopf sein, den der kleine Jatin beschrieben hatte. Alter und Größe stimmten, und sein Kopf war bis oben kahl. Kazimi drückte ihn gegen ein Regal.
    »Sie sind neu hier«, sagte er, »sonst würden Sie mich kennen. Wie heißen Sie?«
    »Wer sind Sie?« beharrte der Glatzkopf.
    »Wir sind Ihre Baaps«, antwortete Kamble von der Tür her. »Erkennen Sie uns nicht?«
    Sartaj ging an Kazimi vorbei in den hinteren Teil des Kholis. Es gab dort noch einen zweiten Raum, mit zwei Holzschränken und drei aufeinandergestapelten Metallkisten. Trübes graues Licht drang durch eine schwer vergitterte Luftklappe hoch oben in der Backsteinwand herein. Es war ein recht großes Haus, gepflegt und sauber alles in allem. In der Küchenecke im vorderen Zimmer hingen an einem Gitter mehrere Reihen Küchengeräte, und es gab einen Herd mit zwei Flammen. Links neben der Tür stand auf einem kleinen Holzschemel ein glänzendes grünes Telefon mit einem weißen Spitzendeckchen darunter.
    Der Glatzkopf war verstummt. Er hatte sein Knie losgelassen und die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Beine unterhalb der blauen Trikotunterhose zitterten neben dem Suni-Shetty-Film, der im Fernsehen lief. »Ich heiße Anand Agavane«, sagte er. Inzwischen war ihm klar, daß er drei Polizisten vor sich hatte, und seine Stimme zitterte ebenfalls.
    Kazimi trat einen Schritt auf ihn zu. »Wer sind Sie, Anand Agavane? Wieso sind Sie hier, in Veena Manes Haus?«
    »Sie ist meine Aatya 003 . Das Haus gehört ihr. Ich bin Autorikschafahrer bei einem Seth, der hier in der Nähe eine Garage hat. Manchmal muß ich den Wagen spätnachts zurückbringen, und dann übernachte ich hier.«
    »Ihre Aatya ist wohl ziemlich reich, was?« fragte Sartaj. »Sogar ein Telefon hat sie.« Er kauerte sich neben den Schemel. Das Telefon hatte ein Wählscheibenschloß, und daneben stand eine Schachtel voller Münzen und Notizzettel. Veena Mane ließ ihre Nachbarn für Geld telefonieren und Anrufe entgegennehmen. »Welche Nummer hat der Apparat hier?«
    »Die Nummer?«
    »Ja. Sie wissen die Telefonnummer Ihrer eigenen Tante nicht? Kamble, wie ist die Nummer?«
    Kamble war in das hintere Zimmer gegangen, wo er Kisten umstieß und Schranktüren aufriß. Er rief die Ziffern eine nach der anderen in einem lauten Singsang herüber.
    »Ist sie das, Chutiya?« fragte Kazimi. Er stand jetzt dicht vor Anand Agavane, Nase an Nase. »Ist das die Nummer Ihrer Tante?«
    »Ich hab nichts getan.«
    Kazimi versetzte ihm

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