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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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sauber, auch wenn ihr Neffe ein Apradhi war. Anand Agavane hockte auf dem Boden, den Kopf zwischen den Knien, die Arme eng um die Beine geschlungen. Seine Schultern waren rot angelaufen, und auf seiner Glatze stand der Schweiß. Dieser sture Bock. Sartaj stieß den Korb an, so daß er leicht gegen die Wand schwang. Die Schnur hing an einem Ring, der an einem Dachsparren befestigt war. Ein Bild an der Wand, eine effektvoll ausgeleuchtete Studioaufnahme in grellen Farben, zeigte ein junges Paar. Aatyas Tochter vielleicht, in einem roten Sari, eine dunkle Sonnenbrille im Haar. Der Bräutigam stand in einer Lederjacke neben ihr, in der lässigen Haltung eines Dressman, die Hände auf den Hüften. Die Jacke hatte ihm vermutlich der Fotograf geliehen, der die beiden als modernes junges Paar vor dem Hintergrund einer nächtlichen Stadt hatte posieren lassen. Die Lichter der Stadt zogen sich bergauf und bergab und glitzerten im Wasser. Es konnte der Marine Drive sein, es konnte auch New York sein. Das schwarz gerahmte Foto hing an einem vorstehenden Backstein. An der ganzen Wand ragten ein Stück über Sartajs Kopf jeweils zwei Backsteine in den Raum, im Abstand von etwa einem halben Meter. Aatya schien eine praktisch denkende Frau zu sein. Sartaj fuhr mit der Hand über den ersten Stein, fühlte aber nur dessen rauhe Fläche und die Schnur, an der das Bild hing. Er tastete den zweiten ab, stieß dann mit dem Fuß die Matratze beiseite und trat einen Schritt vor. Als er auf den dritten faßte, war er sich plötzlich ganz sicher. Ja. Seine Fingerspitzen stießen auf glattes Plastik. Es war das Handy.
    »Ich hab's«, sagte er.
    Kamble schleuderte die Keksdose fort, die er gerade untersuchte, und die Knöpfe, Garnrollen und Nadeln darin prasselten an die Wand. »Zeigen Sie her«, sagte er und streckte die Hand aus.
    Doch Sartaj hielt das Handy fest, es gehörte ihm, für den Moment jedenfalls. Dies war der Augenblick, in dem ein Fall sich erschloß, in dem ein dunkler Vorhang zerriß, in dem ihn ein Triumphgefühl und der Hunger nach mehr durchströmten. Er ließ es zu und merkte, daß er grinste. Er drückte ein paar Tasten und hielt das Handy dann Kamble hin. »Die letzten zehn gewählten Nummern«, sagte er. »Immer dieselbe, das andere Handy.«
    »Das war's«, sang Kamble leise. »Jetzt haben wir dich, du Dreckskerl.« Er nahm das Handy und tippte auf das Display, glücklich wie ein kleiner Junge mit einem Softeis.
    Kazimi aber war angewidert. Er versetzte Agavane einen Tritt, stolperte dann von ihm weg und setzte sich auf eine umgekippte Kiste. »Maderchod«, sagte er zu Agavane. »Und dafür hab ich mich so verausgabt! Hast du im Ernst geglaubt, wir würden das Handy da oben nicht finden? Du sitzt hier in einem Mauseloch von Kholi, Bhenchod. Idiot. Jetzt bist du dran.« Er zog ein großes blaues Taschentuch hervor und wischte sich Gesicht und Nacken. »Also, was ist? Redest du jetzt?«
    Agavane hob den Kopf. Er weinte. »Saab«, sagte er. »Saab.«

    Um elf langte Sartaj bei Mary an. Als er an ihrem Haus vorfuhr, wurde ihm plötzlich bewußt, wie laut das Motorrad war. Die Treppe war weit von der einzigen flackernden Glühbirne am Ende des Weges entfernt und stockdunkel. Sartaj tastete sich hinauf und bemerkte zum ersten Mal die Kletterpflanzen an der Hauswand, die dicke, weiche Schicht aus Weinlaub. Er klopfte zweimal an und wollte schon wieder kehrtmachen, als die Tür knarrend aufging. Mary hatte verquollene Augen und bewegte sich sehr langsam. Sie murmelte irgend etwas und trat zurück, um ihn hereinzulassen.
    »Ich bin eingeschlafen«, brachte sie schließlich gähnend hervor. Auf ihrem übergroßen gelben T-Shirt war eine Entenmutter mit ihren Küken abgebildet.
    »Tut mir leid«, sagte Sartaj. »Ich bin nicht früher weggekommen. Ich kann auch wieder gehen.«
    »Nein, nein.« Sie schloß die Tür. »Ich hab ferngesehen, und da sind mir die Augen zugefallen.«
    Auf dem Bildschirm galoppierten Zebras in einer Reihe über einen Hügelkamm. Sartaj berührte Marys Wange.
    »Sartaj Singh«, sagte sie, »du riechst.«
    Sartaj trat zurück. »Sorry«, sagte er. »Ich hab den ganzen Tag gearbeitet.«
    Er bemerkte es selbst, roch die schrecklichen benzindurchsetzten Schmutz- und Schweißränder, die sich an seinem Körper gebildet hatten, von der Stirn bis hinab zu den Knöcheln. »Ich gehe besser wieder. Eigentlich wollte ich vorher nach Hause, aber es war schon so spät.«
    Mary lachte. »Du wirst ja richtig rot«, sagte

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