Der Pate von Bombay
Gesetzesbrechern nach. Man konnte noch so vorsichtig und elegant vorgehen und seine Verbrechen hinter noch so vielen Handys verstecken - man war leider gezwungen, mit Idioten zusammenzuarbeiten. Gute Helfer waren schwer zu finden. Es gab immer jemanden, der die einfachsten Anweisungen mißachtete, der einen Fehler machte, viele Fehler. Ermittler wirkten bei ihren Ermittlungen so clever, aber die Lösung war oft das Geschenk eines Idioten. Papa-ji hatte sich oft über den allgemeinen Niedergang der Verbrecherkaste ausgelassen. Die Jüngeren hätten jede Menge Muskeln, aber es fehle ihnen an Raffinesse, hatte er erklärt. Wer ein AK-47 statt eines glatten Rampuri-Messers 523 benutze, sei nichts weiter als ein kleiner Ganove. Papa-ji hatte stets Beispiele parat gehabt, die bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückreichten, von legendären Dieben und Schwindlern, die ihre Verbrechen mit Witz und Bravour begangen hatten. Jede Generation habe die Apradhis, die sie verdiene, hatte er immer gesagt.
Es war später Abend, als Sartaj und Kamble zu dem Kholi ihres Apradhis am Ende einer gewundenen Gasse im hinteren Teil des Satguru Nagar Basti gingen. Sie folgten einem Inspektor namens Kazimi, der seine Haare mit Henna gefärbt hatte und steif vor ihnen herstolzierte. Kamble verdrehte die Augen über Kazimis gezierten Gang, die umständliche Vorsicht, mit der er über einen Haufen Wasserrohre hinwegstieg. Kazimi war der Freund eines Freundes, und Satguru Nagar gehörte zu seinem Revier. Er hatte ihnen keine Fragen zu ihren Ermittlungen gestellt, und tausend Rupien hatten seine Flexibilität, was den Termin des Unternehmens anbelangte, deutlich gesteigert. Er war Polizist auf einem wenig einträglichen Posten, und bestimmt hatte er Kinder, fast erwachsene Kinder, die ihn einiges kosteten. Das verrieten der gehetzte Eindruck, den er vermittelte, und seine wie unter einer schweren Last gebeugten Schultern. Aber er war effizient. Er hatte den Namen Shrimati Veena Mane sofort erkannt und führte sie nun zielsicher durch die namenlosen Gassen.
»Wie weit ist es noch?« fragte Kamble. Er war stehengeblieben und kratzte sich an einer Hausecke die Schuhsohle ab. »Ich hasse diese Bastis. Bhenchod.«
»Nicht mehr weit«, sagte Kazimi. »Ein paar Minuten noch.« Er rieb sich die Hüfte.
»Was ist?« fragte ihn Sartaj.
»Ein Streifschuß«, sagte Kazimi. »Während der Unruhen. Tut weh, wenn ich den ganzen Tag herumlaufe. Auch nach der langen Zeit noch.«
Sartaj brauchte nicht nachzufragen, welche Unruhen er meinte, und er wollte auch nicht wissen, wie und warum er sich die Verletzung zugezogen hatte. Kamble hatte sich wieder aufgerichtet, und sie gingen weiter.
»Dieses Basti ist in den letzten zwei Jahren mächtig gewachsen«, sagte Kazimi. Sein Profil zeichnete sich vor den erleuchteten Türöffnungen ab. »Fast fünfhundert Kholis gibt es hier inzwischen.«
Fünfhundert enge kleine Behausungen aus Backstein, Holz, Plastik und Blech, wenig Raum für viele Menschen. Vermutlich trennten Kamble höchstens zwei Generationen von einem solchen Zuhause, aber er schaute mit der Überheblichkeit des Entkommenen, des Emigranten darauf herab. Er war zu anderen Ufern unterwegs, und er mochte es nicht, wenn er wieder zurück mußte. Auch Sartaj versuchte seine italienischen Prachtstücke zu schonen, aber wenn die Schuhe schmutzig wurden, mußte man sich eben damit abfinden. Hier lebten Menschen, und so sah ihr Leben nun einmal aus. Es war im übrigen ein besseres Basti als viele andere, die Sartaj kannte. Die Bewohner hatten es weiter gebracht, sie hatten die dürftigen Verschläge der Neuankömmlinge, die provisorischen Konstruktionen aus alten Pappkartons hinter sich gelassen. Hier gab es Wasserpumpen und gemauerte Rinnsteine, die meisten Kholis hatten Strom, und Shrimati Veena Mane besaß ein Telefon. Am vorderen Rand des Bastis hatte Sartaj sogar fünf Toiletten gesehen, mit einem blauen NGO-Plakat darüber. Die Leute hier brachten es zu etwas, langsam, aber sicher.
Polizisten mochten sie allerdings nicht, die Bewohner von Satguru Nagar. Zwei Halbwüchsige, die untergehakt auf einem Sims zwischen zwei Kholis saßen, funkelten Kazimi böse an, und Sartaj bekam den Rest ihrer Feindseligkeit ab, als er an ihnen vorbeiging. Eine alte Frau mit schütterem Haar, die mit einer kleinen Metallschale zwischen den Knien in ihrer Tür saß, rief ihnen zu: »Was für eine Sünde werden Sie heute begehen, Inspektor?« Die beißende Verachtung in der
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