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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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doch Geld wie Heu.« Und Sartaj hatte genickt.
    Er stülpte sich Marys Duschhaube über seinen Patka und drehte den Wasserhahn auf. Eine Dusche gab es nicht. Sartaj blickte in das sprudelnde Wasser und wartete, bis der rote Plastikeimer voll war. Kamble war noch sehr jung. Hinter dem Zynismus, mit dem er sich panzerte, verbarg sich im Grunde ein Romantiker. »Are, ich hab zwar viele Mädchen«, hatte er zu Kazimi und Sartaj gesagt, »aber ich nehm doch kein Geld von ihnen. Ich geb verdammt viel Geld für sie aus, soviel ich kann, mehr als ich habe. Dieser Pilot ist ein Badhwa 044 .« Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis er sich wieder beruhigt hatte, bis sie ihn hatten überzeugen können, daß Prügel nur ein kurzes Vergnügen waren, keine wirkliche Strafe für einen Mann wie Umesh. Als sie sich trennten, hatte er noch immer gemurrt: »Bei ihr war es Liebe « - er benutzte das englische Wort »love« und stach mit dem Zeigefinger in die Luft -, »aber er hat sie nur benutzt, der Schweinehund.«
    Sartaj setzte sich, dem Wasserhahn zugewandt, im Schneidersitz auf einen weißen Aluminiumhocker und goß sich Becher voll Wasser aus dem Eimer über Schultern und Bauch. Sie waren sich so sicher gewesen, daß die verschmähte, beleidigte, rachsüchtige Rachel Mathias der Apradhi war. Und dann hatte sich herausgestellt, daß der schöne Lover selbst der Geliebten so übel mitgespielt hatte. Kamble glaubte erstaunlicherweise an die ungetrübten Wonnen reiner Liebe, an Träume, wie sie in Schlagern besungen wurden. »Gata rahe mera dil, tu hi meri manzil.« Sartaj hängte den Becher an den Rand des Eimers und blieb mit geschlossenen Augen sitzen, die Hände auf den Schenkeln. War es möglich, zum Glauben zurückzufinden, das Zuviel an Wissen und die bequeme Distanz des Exils hinter sich zu lassen? Er dachte an die Frau auf der anderen Seite der Tür, so nahe - wie seltsam und unerwartet war es, daß er sich in ihrer Wohnung aufhielt, in ihrem Bad. Während er sich einseifte, dachte er an die andere Frau, die Frau, die den Piloten geliebt hatte. Umesh war kein guter Mensch, Kamala aber auch nicht unbedingt. Doch Sartaj wollte Mary nicht daran erinnern, daß Kamala einen Ehemann hatte, daß sie egoistisch, leichtfertig und untreu war. Darüber wollte er nicht reden. Nicht hier, nicht jetzt. Im Moment wollte er nur Ruhe, wollte nur in Marys Nähe sein. Irgendwann in der Zukunft würde es vielleicht Streit geben, Betrug, Schmerz und Verlust, aber an diesem Abend brauchte er eine kleine Enklave des Vertrauens. Die Zukunft hatte noch nicht begonnen, und die Vergangenheit war vorbei. Er drehte den Hahn voll auf und goß sich noch einmal reichlich Wasser über Kopf, Brust und Schenkel. Grinsend summte er den Song: »Kahin beetein na ye raatein, kahin beetein na ye din.«
    Als er sich abtrocknete, klopfte Mary an die Tür. »Hier«, sagte sie. Er öffnete die Tür einen Spalt, gerade so weit, daß sie den Arm durchstrecken konnte. »Das kannst du anziehen.«
    »Das« war eine abgetragene Kurta. Er schloß die Tür wieder und hielt das Hemd hoch. Die Ärmel waren etwas kurz, aber um Brust und Schultern paßte es. Er fragte sich, ob es ihrem Ex-Mann oder einem Freund gehört hatte, schob den Gedanken aber schnell beiseite. Was spielte das schon für eine Rolle? Die Kurta war sauber und verströmte einen frischen Wäschereigeruch nach Bügeleisen und Stärke. Er krempelte die Ärmel hoch und strich sie glatt. Den Patka hatte er schnell wieder gebunden, aber gegen seine Augenringe und seine hohlen Wangen konnte er nichts tun. Er strich sich den Bart glatt, nickte seinem Spiegelbild zu und ging hinaus.
    Auf dem Tischchen neben Marys Bett wartete das Abendessen auf ihn. So hatten sie es geplant: Nach der Arbeit wollte Mary Machchi kadi mit Reis für ihn kochen. »Du hast hoffentlich schon gegessen«, sagte er. »Es ist so spät geworden.«
    Auf einem Rechaud stand ein dampfender Topf. »Ich war zu müde zum Essen«, sagte sie. »Nimm Platz.«
    Sie saßen im Schneidersitz auf dem Boden, den Tisch zwischen sich. Marys Machchi kadi war scharf, aber nicht zu scharf. Sartaj mußte nach Luft schnappen, trank viel Wasser zum Essen und erzählte ihr von seiner Kindheit. Einmal habe er an einem Straßenstand in Shimla so viel Chole-bature gegessen, daß Papa-ji ihn nach Hause habe tragen müssen, als Jugendlicher habe er für das Royal Faluda eines bestimmten iranischen Restaurants in Dadar geschwärmt, bei Gokul in Santa Cruz bekomme man ein so

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