Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
keinen Grund, warum Ram Pari sich sorgen sollte, es geht sie nichts an, was diese Leute tun. Sie bemerkt, daß sie aufgehört hat zu schrubben, Bibi-ji wird diese Unterbrechung jeden Moment hören, und dann wird sie herauskommen und auf ihr herumhacken, also wendet sie sich wieder dem Topf zu und schrubbt weiter.
    Navneet setzt sich auf, gähnt und geht dann durch den Hof. Sie betritt das Zimmer, das sie sich mit ihren zwei Schwestern teilt, und kommt in ihren Ausgeh-Chappals wieder heraus. Bestimmt geht sie wieder in dieses College. Ram Pari weiß nicht, wozu man einem Mädchen soviel Bildung zukommen lassen sollte, aber sie respektiert die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben. Sie kann weder das eine noch das andere und weiß, daß sie zu alt ist, um es noch zu lernen. Und sie weiß, daß Männer, die lesen und schreiben können, im Vorteil sind. Das beweist ihre eigene bittere Erfahrung.
    Aber sie möchte nicht über solche Katastrophen und über das Scheitern ihres analphabetischen Mannes nachdenken, also flüstert sie: »Rab mehar kare« 507 , pumpt Wasser, und das Plätschern erfüllt ihre Ohren.
    Navneet steht neben ihr. »Ram Pari«, sagte sie gedankenverloren, »deine älteste Tochter ist sehr hübsch. Wenn sie alt genug ist, solltest du einen gutaussehenden Jungen für sie suchen.«
    Ram Pari spürt, wie Ärger in ihr aufsteigt. Diese eitle Kuh mit ihrer weißen Haut glaubt wohl, jeder hätte die Zeit, sich den ganzen Tag im Spiegel anzuschauen und an gutaussehende Lafangas zu denken. »Sie ist schon verheiratet«, erwidert sie knapp.
    »Was? Das kleine Ding?«
    »So klein ist sie gar nicht mehr. Sie wird bald ins Haus ihrer Schwiegereltern ziehen.«
    »Wie alt war sie denn, als sie verheiratet wurde?«
    Ram Pari fährt mit der flachen Hand durch die Luft, nicht einmal auf der Höhe der Pumpe. »Das ist bei uns so üblich.«
    Navneet schlägt die Hand vor den Mund und setzt sich auf den Hocker neben der Säule, auf dem sich ihr Vater jeden Morgen die Schuhe anzieht. »Und sie hat ihren Mann seither nicht gesehen?«
    »Nein. Warum sollte sie?« Kaum hat Ram Pari das gesagt, befürchtet sie, womöglich zu barsch gewesen zu sein. Aber sie weiß nicht, wie sie jetzt zeigen soll, daß sie hinlänglich unterwürfig und fügsam ist, also greift sie nach einem Karhai und hält ihn unter die Pumpe. Sie schöpft eine Handvoll Asche, und während der Karhai unter ihrem Geschrubbe scheppert, wird ihr klar, was Navneet will. Sie dreht sich mit liebenswürdigem Lächeln um und fragt: »Aber du redest andauernd mit ihm , stimmt's?«
    »Nein, nein. Ich rede nicht mit ihm, ich schreibe ihm nur ab und zu einen Brief.« Die rosigen Wangen des Mädchens sind einen Hauch dunkler geworden, und sie hat immerhin den Anstand, etwas verlegen dreinzuschauen.
    Ram Pari hat ihre Selbstsicherheit wiedergefunden. »Mag sein, aber er schreibt dir ständig, jeden Tag.«
    Navneet zuckt schüchtern die Achseln, und Ram Pari spürt - wider Willen - eine Art Verbundenheit mit ihr. Ja, es ist schön, sehr jung zu sein, voller Erwartung und Sehnsucht und mit einer Spur prickelnder Angst, schön, an der Schwelle eines neuen Lebens zu stehen. Sie beschließt, großmütig zu sein. »Sieht er sehr gut aus?«
    »Willst du ein Foto von ihm sehen?« Noch ehe Ram Pari ja sagen kann, ist Navneet aufgesprungen und durch den halben Hof gerannt, und Ram Pari registriert - neidlos -die natürliche Anmut in ihrem jugendlichen Laufen. Das Mädchen soll ruhig glücklich sein. Dies ist seine Zeit zum Glücklichsein.
    Navneet kommt zurück und hockt sich neben Ram Pari. Sie schlägt ein Notizbuch voll unentzifferbarer Zeichen auf, blättert einmal um, und da ist er, der Mann. Er trägt einen hoch aufragenden Turban und starrt Ram Pari mit lässiger Arroganz an, den Hauch eines Lächelns um die Lippen. Er ist wirklich sehr attraktiv. Das Foto ist koloriert, und das Rot seiner Wangen steht im Kontrast zum strahlenden Weiß seiner Zähne. »Aha«, sagt Ram Pari. »Er sieht aus wie ein Filmheld.«
    »Ja, ich sage ihm immer wieder, daß er problemlos Schauspieler werden könnte, wenn er nach Bombay gehen würde. Aber er will sich natürlich nicht den Bart abrasieren, und ich will das natürlich auch nicht. Früher im College hat er Theater gespielt, und viele von seinen Freunden behaupten, er sieht Karan Dewan ähnlich, aber ich finde, er sieht aus wie Ashok Kumar.«
    Ram Pari nickt.
    Doch Navneet will mehr. »Findest du nicht?«
    »Ich kenne Ashok Kumar

Weitere Kostenlose Bücher