Der Pate von Bombay
bewaffneten Arm von Akhand Bharat, und es gefällt ihm, daß die Gruppe klein, agil und gut ausgerüstet ist. Manchmal kann er trotz seines Alters nicht umhin, sich als einen modernen Shiva-ji oder Rana Pratap anzusehen. Trivedi trinkt noch einen Schluck Cappuccino. Wirklich, absolut köstlich.
»Wann treffen wir uns das nächste Mal, Trivedi-ji?« fragt Milind.
Das ist immer Milinds erste Frage, wenn die Anspannung des aktuellen Auftrags nachgelassen hat. Trivedi gibt darauf immer die gleiche Antwort: »Ich weiß es noch nicht. Ich werde mich melden.« Der Junge ist nützlich, aber irgendwie nervig. Wenn Trivedi die Wahl hätte, würde er lieber jemand Ruhigeren, vielleicht auch Intelligenteren einsetzen, aber man muß mit dem arbeiten, was verfügbar ist. Er schickt Milind weg, bezahlt und hängt sich die Sporttasche über die Schulter. Sie ist von einer befriedigenden Schwere. Die Pakistanis sind gute Zahlmeister. Jeden Monat trifft sich ihr Kontaktmann mit einem Vertreter der Hizbuddin und übergibt das Geld. Jeden Monat wird ihr Beitrag zu Trivedi gebracht, der ihn an Guru-jis Leute weiterleitet. Und jeden Monat erlebt er diesen Moment totaler Befriedigung. Sollen die Dreckskerle nur schön für ihre eigene Vernichtung bezahlen, die abschließend und endgültig sein wird.
Trivedi geht am Museum vorbei. Er ist nur ein einziges Mal hineingegangen, war erstaunt und angewidert angesichts der Korridore voll prächtigem Beutegut, das vom britischen Empire auf der ganzen Welt zusammengerafft und in dieses Mausoleum verfrachtet worden war, wo es nun von irgendwelchen Idioten begafft wurde. Ihm wurde übel, als er daran dachte, wie die britische Flagge über Delhi flatterte. Nie wieder, hat er sich damals gesagt, und er gelobt es nun erneut. Trivedi hat das Große Spiel erlernt. Er kennt sich mit Sicherheitsmaßnahmen und Operationen unter falscher Flagge aus, und er hat seinen Ekel unterdrückt und mit Übeltätern, mit Scheusalen zusammengewirkt. Er hat mit Säufern gegessen, Kriminellen die Hand geschüttelt. Er hat unter dem Namen Sharma stundenlang dem unflätigen Ganesh Gaitonde und seinen brutalen Kerlen zugehört, hat vorgegeben, über ihre obszönen Witze zu lachen. Ja, Trivedi hat sich erniedrigt und besudelt. Doch er hat das alles für Guru-ji getan, er hat es für die Zukunft getan. Er tut, was getan werden muß. Jetzt ist er müde, und seine Füße schmerzen, er spürt sein Alter. Wenn er zu Hause ankommt, werden ihm auch die Schultern weh tun. Auf dem letzten Stück von der U-Bahn nach Hause, wenn der Himmel in der Dämmerung ein sehr fremdes Blaugrau annimmt und die Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet, noch etwas schwerer wiegt als sonst, wird er sich ein wenig fürchten, aber er wird flüsternd mit Guru-ji sprechen und weitergehen. Er ist zuversichtlich. Er richtet seine Gedanken auf die Gegenwart, auf seinen flotten Schritt, den er praktiziert, seit er vor fast dreißig Jahren Guru-ji kennengelernt hat. Er kommt an einer englischen Familie vorbei und lächelt den kleinen Jungen an, der zwischen seinen Eltern geht und ihre Hände hält. Die pure Unschuld von Kindern zu sehen tut gut, sie ist ihm stets ein Quell der Hoffnung gewesen. Trivedi denkt an das Geld, denkt an das, was kommen wird, und ist glücklich.
II
R am Pari schrubbt einen Topf. Sie hockt im Hof von Bibi-jis Haus vor der Handpumpe und scheuert den geschwärzten Topf mit Asche. Sie mag das Gefühl, wie ihre Handfläche über die Rundung des Topfes gleitet, aber in ihren Schultern meldet sich der stechende Schmerz, der sie bis zum Ende des Tages, bis zum Einschlafen begleiten wird. Sie wird langsam zu alt für diese Arbeit, aber was könnte sie sonst schon tun? Ihre Nase juckt, und sie kratzt sich, wenig erfolgreich, mit der Rückseite ihres Unterarms. Sie beobachtet Navneet, Bibi-jis Tochter, die im Baithak 048 auf dem Bauch liegt und einen Brief schreibt. Das Mädchen ist verträumt wie immer und schon seit einer Stunde mit dieser einen Seite beschäftigt. Ram Pari weiß, daß sie einen Brief an ihren Verlobten schreibt. Ram Pari hält dieses Verhalten für schamlos und die Eltern des Mädchens für Dummköpfe. Solche Laxheit kann nur im Verderben enden. Ram Pari erinnert sich an manch einen Skandal bei arm und reich, der das belegen könnte. Doch es ist sinnlos, Bibi-ji irgend etwas zu sagen, denn sie ist eine dickköpfige, stolze Frau und duldet von Menschen, die sie für geringer erachtet, keine Kritik. Außerdem gibt es
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