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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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an ländlicher Entwicklung, an landwirtschaftlichem Fortschritt, aber für diesen Bereich war eine Unterabteilung zuständig. Die landwirtschaftliche Abteilung hatte eine eigene Organisationsstruktur, eine eigene Befehlskette und eigene Konten. Um diese Bekanur Farm kümmerten sich offenbar Guru-ji persönlich und seine engsten Mitarbeiter. Und sie wurde streng geheimgehalten.
    Wir würden uns diesen Hof mal anschauen. Ich sagte den Jungs, dies sei die letzte Etappe unserer Suche, danach würden wir unsere Mission beenden, ob wir nun erfolgreich waren oder nicht. Sie waren froh und erleichtert, das zu hören, und wir erreichten Amritsar energiegeladen und voller Tatendrang. Wir folgten unserem üblichen Prozedere, begaben uns in zwei Gruppen zu dem sicheren Haus, nahmen ein spätes Frühstück ein, holten unser Auto ab und fuhren los. Es war ein strahlender, heißer Morgen, und ich saß dösend auf dem Beifahrersitz. Nikhil fuhr. Hinter uns stritten sich die Jungs über das Gold im Goldenen Tempel: wieviel genau es war, was es wert war. Jatti, ein Punjabi, der allerdings erst einmal im Punjab gewesen war, verkündet gerade mit großer Autorität, das Gold sei nicht nur Crores, sondern Arabs wert. Die andern machten spöttische Bemerkungen, und Chandar sagte, er wolle nach Jallianwalla Baug 282 , »wo wir nun schon mal hier sind«.
    Wir sind keine Touristen, hätte ich ihm am liebsten gesagt, doch es hätte zuviel Energie gekostet, aus meinem Halbschlaf heraus diese Worte zu formen. Außerdem war ich selbst ein bißchen auf dem Touristentrip. Ich stellte fest, daß ich den stolzen Gang der Punjabis, ihre aggressiven Blicke, ihre lauten Stimmen richtig unterhaltsam fand. Vor einer Garage zu unserer Linken stand ein Sardar und telefonierte mit einem Handy, das unbedeckte Haar zu einem großen Knoten aufgetürmt. Als wir vorbeifuhren, schob er gerade seine Kurta hoch, um sich am Nabel zu kratzen, so daß man seinen rundlichen behaarten Bauch sah. Er lächelte. Vielleicht war das seine Garage, und das große rosa-grüne Haus dahinter gehörte ebenfalls ihm, ein Haus mitsamt Satellitenschüssel, einem Toyota in der Einfahrt und einem Wachmann mit Gewehr davor. Amritsar war eine schäbige kleine Provinzstadt, aber hier gab es Geld und jede Menge Schußwaffen. Ein Polizeijeep überholte uns, und die drei Beamten auf der Rück-bank hatten alle Jhadus auf dem Schoß liegen, an denen mit Klebeband ein zusätzliches Magazin befestigt war. Ich hatte noch nie so viele Automatikwaffen auf offener Straße gesehen, auf keiner Straße, nirgendwo. In meinem Auto roch es nach Mogra. Ich machte die Augen zu, und als ich sie wieder öffnete, fuhren wir durch Rapsfelder, hinter einem von chromglänzenden Stahlrohren starrenden Lastwagen her. Auf seine Rückwand waren Tiger gemalt, mit einer Göttin in der Mitte.
    »Wir sind fast da, Bhai«, sagte Nikhil.
    Er bog nach links, fuhr einen Damm hinunter. Die Straße wurde jetzt schmaler, und wir überquerten holpernd und schwankend einen Kanal. »Jetzt sind wir wirklich auf dem Land«, murmelte Chandar. »Guckt euch mal diese Dehatis an.« Vor uns gingen mitten auf der Straße zwei Männer, die einen Ochsen führten. Nikhil hupte, und sie bewegten sich ganz langsam zur Seite, bis wir uns an ihnen vorbeiquetschen konnten. Als wir sie passierten, beugten sie sich herunter, um zu uns ins Auto zu schauen. Typische Dörfler, aber wohlhabende. Das Land hier war grün und fruchtbar, und irgendwo in der Nähe hörte ich eine Wasserpumpe. Wir fuhren weiter. Nur einmal, an einer Gabelung, fragten wir ein junges Paar auf einem Motorrad nach dem Weg. Die Frau hielt das rote Dupatta auf ihrem Kopf mit den Zähnen fest, damit es nicht verrutschte, doch ich sah auch so, daß sie ein hübsches Küken war. Die Jungs waren derselben Ansicht, wie ich an dem aufmerksamen, angespannten Schweigen hinter mir bemerkte. Ihr Mann war ein dünner, ungepflegter und in jeder Hinsicht uninteressanter Bursche, doch seine Wegbeschreibung war gut. Kurz nach zwei hatten wir Guru-jis Hof erreicht.
    Hier waren die Felder nicht von einem Stahlzaun umgeben, und es gab auch kein Tor. Nur wogenden grünen Weizen und gut in Schuß gehaltene, von Bäumen gesäumte Dämme. Zwischen den Bäumen einer Obstplantage hindurch sah man ein weißes Haus schimmern. »Mangos«, sagte Jatti, als wir uns den ordentlichen Baumreihen näherten. Die Straße war jetzt gut befahrbar, feiner Schotter, der unter den Reifen knirschte. Ein Pfau schrie, und

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