Der Pate von Bombay
gesucht hat, habt ihr nichts gefunden.«
» Nichts
»Ich hab dir ja gesagt, daß deine Angestellten Trottel sind.«
»Ja, ja. Sehr oft sogar.«
»Wenn du einem Kerl eine Ghoda in die Hand drückst, wird er dadurch noch lange nicht clever. Er wird einfach ein Gaandu mit Pistole.«
»Saali, ist das deine Art, mir zu helfen? Komm wieder auf Sridevi zurück.«
»Okay.« Ich wußte, daß sie sich auf die Arbeitsfläche stützte und darauf wartete, daß das Wasser kochte. Jetzt zerstieß sie Kardamomkapseln, drei Stück. »Kennst du ihren Geburtsort?«
»Sie hat keinen.«
»Jeder hat einen Geburtsort.«
»Ihren gibt's nicht mehr. Er liegt in Pakistan. Warum?«
»Du hast auch nur noch Faluda im Kopf, Gaitonde. Die Menschen sind Narren, das weißt du doch. Sie wollen eine Heimat. Und deshalb kehren sie in ihre Heimat zurück, selbst wenn sie wissen, daß sie es nicht tun sollten.«
Das stimmte. Man mußte nur das Heimatdorf eines Mannes im Auge behalten, dann erwischte man ihn früher oder später. Und wenn man einen Informanten in seinem Dorf gewann, konnte man eines Tages eine Kugel in seinem Hinterkopf versenken. Die Polizei machte das ständig, und ich hatte es auch schon getan. Jojo hatte recht, die Menschen waren dumm, sie drehten sich im Kreis, und irgendwann kehrten sie wieder dahin zurück, wo sie angefangen hatten, so als würden sie durch den stetigen, unentrinnbaren Zug einer Schnur zurückgeholt. Doch was, wenn man keinen Heimatort mehr hatte, nicht mehr dorthin zurückgehen konnte? Wo würde man dann hingehen? »Ich denke mal darüber nach«, sagte ich. »Es ist keine schlechte Idee. Auf jeden Fall ist es eine Möglichkeit.«
»Gut«, sagte sie. »Denk darüber nach. Und jetzt laß mich in Ruhe meinen Chai trinken.«
Aber noch war ich nicht soweit. Ich redete noch eine Weile mit ihr über ihre Produktionsprobleme, über ihr Dienstmädchen, dessen Mann Alkoholiker war, und über die wachsende Luftverschmutzung in der Stadt. »Na, dann hören wir mal auf«, sagte ich eine geschlagene halbe Stunde später, als sie ihren Chai getrunken hatte und bereit war, sich ihrem Bad und ihrer Arbeit zu widmen. Jetzt, wo ich ein Ziel vor Augen hatte, fühlte ich mich ruhiger. Ich rief Nikhil herein, und wir machten uns an die Arbeit. Wir hatten auf unseren Raubzügen einiges an Unterlagen und Dokumenten zusammengetragen und zwei Laptops mitgenommen - genügend Informationsmaterial. Ziemlich viel sogar, es füllte zwei Koffer, und hinzu kam, was auf den Festplatten der Computer gespeichert war. Ich gab Nikhil die nötigen Erklärungen und Anweisungen, und wir begannen alles zu durchforsten. Das Problem war natürlich, daß wir nicht wußten, wonach wir suchten. »Stichwort Heimat«, sagte ich zu Nikhil. »Irgendein Ort, an den er zurückkehren würde.« Nikhil sah verwirrt aus, aber nicht mehr, als ich selbst es war. Wo würde ein Mann wie Guru-ji hingehen? Nach Chandigarh? Aber da waren wir schon gewesen, und wir hatten nichts gefunden. Wohin also würde er gehen? Oder anders gefragt, wohin würde jemand wie ich oder wie Jojo gehen? Wo geht man hin, wenn es keinen eigentlichen Heimatort mehr gibt? Ich kannte darauf keine Antwort, aber wir suchten weiter. Es dauerte fünf Tage, bis Nikhil schließlich fündig wurde.
In Guru-jis privaten Rechnungsbüchern des laufenden und des vorangegangenen Jahres fanden wir den Eintrag »Bekanur Farm«. Einmal vierundachtzigtausend und einmal ein Lakh vierunddreißigtausend Guthaben. Die Unterlagen der fünf Jahre davor fehlten uns, doch in dem einen noch älteren Rechnungsbuch, das wir hatten, war ein ebenfalls auf Guru-jis Privatkonto ausgestellter Scheck für einen »Traktor für die Bekanur Farm« aufgeführt. Und auf einem der Computer fanden wir einen im laufenden Jahr verfaßten Brief an das Punjab State Electricity Board wegen Zahlungsrückständen. Dieser Brief war von niemand anderem als Anand Prasad unterzeichnet worden, unserem Sadhu-Freund von neulich. Warum schrieb einer der Topleute der Organisation, ein Spitzenmann wie Anand Prasad, wegen lächerlicher zwei Lakhs und ein paar Zerquetschten an das PSEB? Was für ein Hof war das überhaupt? Wir gingen sämtliches veröffentlichte Material über Guru-ji durch, ohne Ergebnis. Es war nirgends von einem Hof, achtzig Kilometer südlich von Amritsar, die Rede oder überhaupt von irgendeinem Hof. Und mir gegenüber hatte Guru-ji ganz gewiß nie davon gesprochen, daß er einen Hof besaß. Natürlich war da sein Interesse
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