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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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auf nackte Böden und alte Holzschränke frei, auf schlichte Regale, die in die weiß getünchten Wände eingelassen waren, und durchgelegene Charpais mit groben Decken. In einem Raum stand ein hölzerner Schreibtisch, auf dem ein schwarzer Tischventilator und zwei Fläschchen mit blauer und roter Tinte standen, daneben lag ein grüner Federhalter. Ich ging weiter. Ein einziger, zum Innenhof hin offener Raum zog sich auf einer Seite über die gesamte Länge des Hofs. Der Boden war mit Matten bedeckt, und vor der Rückwand lag eine Reihe runder Kissen. In kleinen Nischen an der Wand hingen Bilder von Ram, Sita und Hanuman sowie das Schwarzweißfoto eines großväterlichen Mannes mit Brille und Turban. Ich beugte mich zu diesem Bild vor und erkannte eine deutliche Ähnlichkeit mit Guru-ji. Wer war das? Guru-jis Vater oder Großvater? Ein Onkel?
    Ich wandte mich nach rechts, wo die Küche lag. Ein Sperling spazierte auf der Kante des kleinen Podests entlang, auf dem das Basilikum wuchs, und die Sonne schien mir in die Augen. In der dunklen Küche hingen messingne Küchengeräte von der Decke, zwei Chulas standen auf dem Boden. Kein Elektro-, kein Gasherd. Es gab außerdem noch einen Lagerraum, in dem nur drei leere Stahltruhen standen. Ich trat wieder in die Sonne hinaus, fröstelnd und mit trockenem Mund. Was war das nur für ein Haus? In der Ecke hinter der Küche stand eine weitere Handpumpe, die Ziegel darunter waren naßverschmiert. Ich stützte mich mit meinem ganzen Gewicht auf den Schwengel und pumpte, und nach mehrmaligem blechernen Quietschen spritzte ein funkelnder Wasserstrahl hervor. Ich beugte mich darunter und trank. Das Wasser war kühl und rein.
    Jetzt sah ich Nikhil durch den Gang kommen, er tastete sich mit einer Hand an der Wand vor.
    »Hier ist nichts«, sagte ich ihm. »Nur leere Räume, und alles ist alt. Es gibt gerade mal Strom.«
    »Dabei ist das Haus erst vor zwölf Jahren gebaut worden, Bhai.« Er wirkte aufgeregt und etwas beunruhigt. »Sein Saab wohnt in Delhi, Mrityunjay Singh heißt er. Die haben den Hof während der Unruhen im Punjab für wenig Geld gekauft. Dann haben sie das Haus, das hier stand und das offenbar völlig in Ordnung war, abgerissen, sogar die Fundamente haben sie ausgegraben. Und ein paar Jahre später wurde dann dieses Ding hier gebaut. Der Saab kommt im Schnitt einmal pro Jahr. Ich habe den Verwalter nach der Rampe draußen gefragt. Er hat gemeint, die sei für einen Freund des Saab, der im Rollstuhl sitzt und der zwei- oder dreimal hier war. Wie der Rollstuhl-vaala heißt, weiß er nicht, offenbar nennen ihn alle nur Baba-ji.«
    Guru-ji hatte also dieses Haus bauen lassen und war dann in über zehn Jahren nur dreimal dagewesen. Warum gerade dieses Haus und warum gerade hier? Es hätte zweifellos weniger gekostet, ein neues, modernes Haus zu bauen, als dieses auf alt getrimmte.
    Nikhil pumpte etwas Wasser, trank und wischte sich den Mund ab. »Lecker«, sagte er. »Der Verwalter hat erzählt, dieser Baba-ji säße gern auf dem Dach. Er will es uns zeigen, er ist gerade die Schlüssel holen gegangen.«
    Jagat Narain trat in den Hof, gefolgt von den Jungs. Er rasselte mit einem großen eisernen Schlüsselbund und führte uns - ganz langsam - eine Treppe in einer Ecke des Hofs hinauf, die ebenfalls mit einer Rampe ausgerüstet war. Er brauchte fünf Minuten, bis er den richtigen Schlüssel gefunden hatte, und dann traf er das Schlüsselloch nicht. Ich stand da und spürte die Stufenkante unter meinen Zehen, plötzlich in meine Kindheit zurückversetzt, zu einem Ferienmorgen, an dem ich mit einem nagelneuen Drachen in der Hand zum Dach hinaufgestürmt war. »Maderchod«, sagte ich. »Nikhil, nimm ihm die Schlüssel ab.«
    Doch in diesem Moment bekam der Tattergreis endlich das Schloß auf. Wir traten ins helle Sonnenlicht hinaus. Das Flachdach hatte um den Innenhof herum kein Geländer. Ich ging auf die andere Seite hinüber und versuchte dabei gedanklich zu fassen, was sich meinem Zugriff immer wieder entzog. Als hätte ich etwas vergessen, das ich eben noch gewußt hatte. Ich hörte Nikhil mit dem Verwalter reden.
    »Wir haben eintausendeinhundertundelf Morgen Land«, sagte Jagat Narain. »Es reicht bis zur Hauptstraße und noch darüber hinaus. Bis zum Zaun.«
    »Bis zu welchem Zaun?«
    »Er meint den Grenzzaun, Yaar«, erläuterte Jatti.
    »Ein sehr langer Zaun«, sagte Jagat Narain nickend. Er machte eine ausholende Geste mit beiden Armen, die den ganzen Horizont

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