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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Wasserpfeife und blinzelte in die Ferne. Aadil bemerkte, daß seine Gummi-Chappals unter dem Sessel vorn eingerissen waren. Sein Vater wiederholte seinen Satz: »Raja-ji, unsere Familie gehört Ihnen seit Generationen.« Den ganzen Nachmittag saßen sie beim Raja und schauten zu, wie er schmauchte und seufzte und über die Felder blickte. Als es dunkel wurde, gab er Noor Mohammed einundfünfzig Rupien und ermahnte Aadil, fleißig zu lernen. Dann kehrten sie ins Tola zurück.
    Am nächsten Morgen gingen sie zu Maqbool Khan. »Mir-saab« 420 , sagte Noor Mohammed zu ihm, »Unsere Familie gehört Ihnen seit Generationen.« Maqbool Khan saß an einem Schreibtisch und sprach in drei Telefone gleichzeitig. Sein Grundbesitz war stark geschrumpft, aber er besaß jetzt sieben Lastwagen und drei Tempos sowie Beteiligungen am staubigen Gewerbe eines Kieswerks und einer Ziegelei. Er trug eine makellos weiße Kurta, und sein üppiger, aufgezwirbelter Schnauzbart war seines vornehmsten Vorfahren würdig. Noor Mohammed hatte sich vor den Schreibtisch gehockt, und Aadil kauerte neben ihm und hörte zu, wie Maqbool Khan Geschäfte machte. Männer kamen herein, nahmen in Sesseln Platz, redeten mit Maqbool Khan und gingen wieder.
    Nach einer Stunde lehnte sich Maqbool Khan zurück, strich sich die Haare glatt, blickte auf Aadil hinab und sagte: »Du willst also studieren. Und was?«
    »Biologie.«
    Das fand Maqbool Khan aus irgendeinem Grund sehr lustig. Er brach in Gelächter aus und entblößte dabei seine rot verfärbten Zähne. »Pferde und Kühe?« sagte er. »Noor, dein Sohn will aufs College und etwas über Hühner lernen. Kannst du ihm das nicht zu Hause beibringen?«
    Noor Mohammed schwieg. Nach einigen Minuten - Maqbool Khan schien sie schon wieder vergessen zu haben - flüsterte er erneut seinen Refrain: »Mir-saab, unsere Familie war immer bei Ihnen.« Sie blieben, bis Maqbool Khan sich erhob, um zum Mittagessen zu gehen. Er verließ den Raum, ohne sie anzusehen, und legte im Vorbeigehen ein paar Geldscheine in Noor Mohammeds hohle Hände. Noor Mohammed dankte ihm mit vielen »Mir-saabs« und steckte das Geld in sein Hemd. Erst als sie im Luftstrom vorbeifahrender Laster schwankend wieder auf der Straße standen, zählte er es. Einundachtzig Rupien hatte Maqbool Khan ihm gegeben.
    Am nächsten Tag gingen sie nach Kurkoo Kothi. Nandan Prasad Yadav war zu beschäftigt, um sie zu empfangen, und Noor Mohammed und Aadil kamen nicht einmal bis ins Haus. Mit einer Schar von Bittstellern warteten sie am frisch gestrichenen hinteren Tor. Arbeiter hatten ein Gerüst errichtet, um die Mauerkronen auszubessern, und versahen die Ziegel mit neuen blauen und weißen Farbschichten. Vier Wächter mit furchterregenden Gewehren standen müßig am Tor und spuckten ab und zu ins Gras. Nachdem Noor Mohammed und Aadil drei Stunden gewartet hatten, trat ein Sekretär aus dem Haus, setzte sich auf einen Stuhl im Schatten und nahm Gesuche entgegen. Als Noor Mohammed und Aadil an der Reihe waren, hörte er sich an, was Noor Mohammed zu sagen hatte, und unterbrach ihn schroff: »Schreib ein Gesuch.« Das war alles. Vater und Sohn gingen ans Ende der Schlange zurück. Aadil hatte einen Stift und ein kleines Notizbuch dabei, aber Noor Mohammed meinte, ein solches Gesuch müsse auf vornehmerem Papier geschrieben werden. Am nächsten Morgen verschob er die Feldarbeit auf später und schaute zu, wie Aadil seinen Brief auf einen sauberen Bogen Kanzleipapier schrieb. Er konnte natürlich nicht lesen, was da stand, doch als Aadil fertig war, ließ er sich das Gesuch dreimal von Anfang bis Ende vorlesen. Dann trug er Aadil auf, es unverzüglich nach Kurkoo Kothi zu bringen und dem Sekretär-saab zu übergeben. Aadil machte sich auf den Weg, am Flußbett vorbei und auf die Straße. Die Sonne verbrannte ihm Schultern und Schenkel. Blinzelnd trottete er dahin und kämpfte gegen den Widerwillen an, der ihn niederdrückte. Bis er an die Abzweigung zum Haveli kam, pochte das Blut in seinem Kopf im Takt mit seinen Schritten, ein gleichmäßiges Pulsieren des Selbsthasses. Er durchquerte den Bazaar und sah rechts neben dem Bahnhof Maqbool Khans Büro. Sein Magen krampfte sich zusammen, und am liebsten wäre er stehengeblieben und hätte sich übergeben. Doch er zwang sich weiterzugehen. Einmal mehr setzte er seinen Willen ein, dieses Instrument, das er seit seiner Kindheit immer mehr verfeinert hatte, und bezwang seinen Körper. Er ging bis nach Kurkoo Kothi und saß

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