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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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als Kind auf einem Abflußrohr entlangging und die Dächer niedriger Hütten im abendlichen Dunst schwebten. Er griff nach seinem Hackmesser.
    »Bhai!« rief Bazil. »Bhai!«
    Aadil öffnete die Tür und fand Bazil blutbespritzt und zitternd an die Wand gelehnt. Er zog ihn herein. »Was ist passiert?« fragte er.
    Bazil berichtete. Seit einigen Wochen, im Grunde schon seit Monaten, hegten er und Faraj einen Verdacht, was Shamsul und seine Kontakte zu dem Hehler anbelangte, der ihnen die Beute abkaufte. Shamsul wickelte die Verkäufe stets allein ab, gab nur widerwillig Auskunft darüber, welcher Preis genau für welches Objekt gezahlt worden war, und wollte auch nicht darüber reden, wie der Abnehmer die Chancen einschätzte, die Ware loszuschlagen. Es war alles sehr seltsam. Bazil und Faraj hatten schon länger beobachtet, daß Shamsul mehr Geld hatte als jeder von ihnen, mehr sogar -ja, so war es - als sie beide zusammen. Faraj hatte Shamsul aufgezogen und ihn gefragt, ob er mehr als andere spare, aber Shamsul war nicht darauf eingegangen. Er hatte sich auch nicht gerechtfertigt, was Farajs Argwohn noch verstärkt hatte. Vergangene Woche schließlich hatte Shamsul ein zweites Kholi gekauft, ein nagelneues mit vier Zimmern und einem extragroßen Wassertank. Er hatte ihnen nichts von dem prächtigen neuen Haus erzählt, der Bastard, Bazil hatte durch seine Mutter davon erfahren, die für die Frau des Bauunternehmers manchmal Stickereiarbeiten ausführte. Bazil erzählte es Faraj, und Faraj wurde sehr wütend. Er heckte einen Plan aus. Sie wollten Shamsul betrunken machen, dann mit ihm zu dem ausgetrockneten Flußbett hinter den großen Wasserrohren gehen und ihn zur Rede stellen. Notfalls wollten sie ihm auch drohen. Auf jeden Fall würden sie herausfinden, was hier gespielt wurde. Das Maß war voll. Sie luden Shamsul ganz beiläufig ein, eine Flasche erstklassigen Vilayati-Rum mit ihnen zu trinken. Das ließ er sich natürlich nicht zweimal sagen. Shamsul hatte eine Schwäche für Alkohol, und wenn er Rum getrunken hatte, wurde er sentimental und fing an zu singen. Diesmal aber waren alle von Anfang an befangen, und Faraj zitterte vor Anspannung, als er die anderen in seinem neuen Kholi empfing. Er hatte Eier gekocht und einen Teller mit Tangdis und Salz und Pfeffer hingestellt, und kaum waren sie eingetreten, schenkte er allen große Gläser Rum ein. Dann verschwamm der Abend in einem Wirrwarr aus lauten Reden, obszönen Witzen und Wutausbrüchen. Shamsul fing an zu singen und wollte dann noch mehr Tangdis. Dann kauf dir welche, sagte Faraj, du hast doch so viel Geld. Shamsul lachte nur. Eine Zeitlang unterhielten er und Bazil sich über Mädchen. Sie sprachen von Rani Mukherjee, Zoya und Zeenat Aman, dann kam Shamsul auf Farajs jüngere Schwester zu sprechen, die ebenfalls auf den Namen Zeenat hörte und von der es - im Basti - hieß, sie sehe der schönen Zeenat der siebziger Jahre ähnlich. Er ließ eine ganz harmlose Bemerkung fallen, nämlich daß sie reif sei für ihre erste Starrolle. Faraj aber hatte schweigend in der Ecke gesessen und ein Glas nach dem anderen getrunken. »Du Schweinehund!« rief er. »Du reißt dir unser Geld unter den Nagel!« Bazil merkte, daß er ebenfalls betrunken war, noch betrunkener wahrscheinlich als Shamsul. Er versuchte aufzustehen, sich vor Faraj hinzustellen und ihn an den gemeinsamen Plan zu erinnern, aber es war zu spät. Faraj und Shamsul schubsten einander bereits herum. Dann schrie Shamsul den völlig entgeisterten Bazil an, der nichts getan und nur sehr wenig gesagt hatte. Shamsul weigerte sich, irgend etwas zuzugeben, und Faraj holte sein Hackmesser hinter dem Bett hervor, Bazil griff nach seinem, und Shamsul ging auf beide los, schwang die Fäuste und wollte hinaus. Seine Brust war voller Blut. Er rannte aus der Tür und die Gasse hinunter, doch die beiden anderen rissen ihn zu Boden. Er rappelte sich wieder auf und wollte in ein Haus flüchten - vielleicht glaubte er, es sei seines -, aber sie hieben von neuem auf ihn ein, und er stürzte hin. Dann war es vorbei.
    Aadil wischte Bazil die Tränen ab, gab ihm ein frisches Hemd und schob ihn zur Tür hinaus. »Geh«, sagte er. »Lauf weg.« Doch Bazil stand hilflos wie ein blinder Ochse auf der Gasse, und Aadil mußte ihm genau sagen, was er zu tun hatte: »Lauf nach Hause, hol Geld, verschwinde, such dir weit weg eine Unterkunft und bleib dort. Am Sonntag treffen wir uns um eins im Maharaja Hotel in Andheri East.«

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