Der Pate von Florenz
Römern hatte ein Sklave den Auftrag, beim Triumphzug eines siegreichen Feldherrn diesem in den Weg zu treten, ihm laut diese Mahnung zuzurufen und dabei vor dessen Augen einen kleinen Ball Wolle zu verbrennen.
6
N achdem Fiora am Fuß der Ponte Rubaconte durch den überbauten Durchgang getreten war, wandte sie sich nach links. Nun hatte sie wieder einen ungehinderten Blick auf den Fluss und das Ufergelände mit den Kaianlagen.
An den Anlegestellen lagen mehrere flachkielige Kähne vertäut, die Marmorplatten, Dachsparren, Lehm, Holzkohle oder Kalk nach Florenz gebracht hatten und die nun darauf warteten, dass sie entladen wurden.
Fiora wollte schon zielstrebig auf den Eingang der Gasse zuhalten, die von der Via dei Benci nach links in Richtung der Piazza della Signoria abzweigte, als ihr Blick zufällig auf zwei junge Männer fiel, die gerade von Bord eines Kahns an Land sprangen. »Donner, Blitz und Gloria, jetzt lieg mir doch nicht schon wieder in den Ohren!«, beschwerte sich der eine der beiden.
Augenblicklich stutzte Fiora. Denn diese kräftige, ein wenig rau wie ein Reibeisen klingende Stimme war ihr genauso vertraut wie der Ausruf »Donner, Blitz und Gloria!«. Sie kannte nur einen, der ihn stets im Mund führte und der zudem auch noch so eine raue Stimme hatte.
Sie sah genauer hin. Die beiden Männer, gekleidet wie Herr und Knecht und jeder mit einem Kleidersack über der Schulter, kamen forschen Schrittes vom tiefer gelegenen Uferstreifen über die leicht ansteigende Rampe aus harter, festgetretener Erde zur Gasse herauf.
Sie hatte sich nicht getäuscht. Der gut gekleidete der beiden jungen Männer war niemand anderer als Silvio Fontana! Jetzt erkannte sie ihn auch an seinem federnden Gang und an seinem schön geschnittenen Gesicht und den schulterlangen rabenschwarzen Locken, die unter einer schief sitzenden Ballonmütze aus safranfarbenem Samt hervorquollen.
Es überraschte sie, dass er so schnell wieder in der Stadt war. Wusste sie doch, dass sein Großvater ihn erst vor einigen Monaten für einen längeren Aufenthalt nach Pisa geschickt hatte. Von mindestens ein, zwei Jahren war die Rede gewesen. Er sollte dort ein schlecht laufendes Geschäft mit Tapisserien übernehmen und dafür sorgen, dass es endlich Gewinne erwirtschaftete. Silvio war alles andere als erfreut gewesen über diesen Auftrag, das war ihr kurz vor seiner Abreise vor fünf Monaten zu Ohren gekommen. Aber sein Großvater war kein Mann, dessen Wünschen man sich leichtfertig widersetzte – weder als Sohn noch als Enkel. Sandro Fontana hatte sich in Florenz nicht nur als Consigliere der Medici einen Namen gemacht, sondern auch als erfolgreicher und weitsichtiger Geschäftsmann, besaß er doch eine florierende große Wollbottega in Santa Croce.
»Seit wann bist du denn unter die Flussschiffer gegangen, Silvio?«, rief sie ihm mit gutmütigem Spott zu. »Ist dir das Leben in Pisa zu langweilig geworden?«
Silvio Fontana hob überrascht den Kopf und sein Gesicht, das eben noch einen bedrückten Ausdruck getragen hatte, hellte sich augenblicklich auf.
»Donner, Blitz und Gloria! Wenn das nicht unser Goldstück Fiora Bellisario ist, die extra zu meinem Empfang gekommen ist!«, rief er ebenso spöttisch zurück und eilte den Rest der Böschung hoch.
Ein leichte Röte überzog Fioras Wangen. »Meinst du nicht, dass dieser Spitzname aus Kindertagen allmählich zum alten Eisen gehört?«
Als er vor ihr stand, verzog er das Gesicht zu einem entwaffnenden Grinsen. Darauf verstand er sich so gut wie kein Zweiter. »Was willst du denn, Fiora? Der passt noch immer sehr gut, besonders wenn du so günstig in der Morgensonne stehst wie jetzt. Dann könnte man dich glatt Rotgoldstück nennen!«, scherzte er und wandte sich dann an seinen breitschultrigen Begleiter, der inzwischen auch die Gasse erreicht hatte: »Wir waren früher ein paar Jahre lang Nachbarn in der Via dei Ferravecchi. Unsere Familien haben sich einen Garten geteilt, der hinter unseren Häusern lag.«
»Ach, das ist lange her«, erwiderte Fiora schnell. »Erzähl mir lieber, was dich so schnell zurück nach Florenz getrieben hat?«
Mit dem unbekümmerten Ausdruck auf Silvios Gesicht war es augenblicklich vorbei. »Nun ja, nicht alle Blütenträume erfüllen sich, wie es so treffend heißt«, antwortete er ausweichend. »Manches ist einfach nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte.«
Fiora sah ihn fragend an und tat so, als würde sie die Blicke von Silvios
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