Der Pate von Florenz
mich. Das sähe natürlich ganz anders aus, wenn ihr Vater für sie eine genauso stattliche Mitgift aufbringen könnte, wie er einst seiner ältesten Tochter mitgegeben hat. Dann würde ich Fiora lieber heute als morgen heiraten. Aber leider ist nicht mehr viel zu holen bei Emilio Bellisario. In den letzten Jahren ist es mit seinem Geschäft stetig bergab gegangen.«
»Welchem Gewerbe geht er denn nach?«
»Er ist Goldschmied. Früher soll er einer der besten in der ganzen Stadt gewesen sein. Aber das ist längst verwelkter Ruhm. Die erstklassigen Goldschmiede findest du schon seit Jahren nicht mehr in der Via dei Ferravecchi, sondern in der Via Vaccareccia, ganz in der Nähe vom Priorenpalast«, erzählte Silvio. »Wirklich Pech für Fiora, dass sie keine nennenswerte Summe zu erwarten hat und sich mit irgendeinem armen Schlucker zufriedengeben muss.«
»Und wie hoch ist eine nennenswerte Summe?«, fragte Giuseppe, während sie die Via dei Benci hochgingen. Zu ihrer Rechten öffnete sich die weitläufige Piazza di Santa Croce, an deren Ende sich die mächtige Kirche des Franziskanerklosters erhob.
»Tausend Florin müssten es mindestens sein.«
»Tausend Florin?«, stieß Giuseppe ungläubig hervor. So viel Geld konnte er sich nicht einmal vorstellen. Er wusste nur, dass man sich für diese Summe einen prächtigen Palazzo bauen lassen konnte. »Heilige Muttergottes! Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Das ist nun einmal so«, erwiderte Silvio forsch. »Das ist der Preis, wenn ein Handwerker seine Tochter zu einer Fontana machen und sich rühmen möchte, zur Verwandtschaft des Consigliere der Medici zu gehören, eines der mächtigsten Männer der Stadt.«
Giuseppe überlegte. »Und was ist mit Liebe?«
Silvio warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Geld hält länger als Liebe«, sagte er trocken. »Die Ehe ist nun mal ein Geschäft. Da hat die Liebe nichts zu suchen. Die holt man sich anderswo. Die wahre Lust stillt man ohnehin besser in fremden Betten.« Er grinste breit.
Giuseppe grinste zurück. »Und wohin das führen kann, davon kannst du ja ein strophenreiches Lied singen, nicht wahr?«
Silvio schluckte und vorbei war es mit seinem dünkelhaften Getue. »Man kann nun mal nicht alle Schlachten ruhmreich gewinnen«, gab er schroff und unleidlich zurück. Mit zusammengepressten Lippen und gesenktem Kopf stiefelte er weiter.
Giuseppe wünschte sich, er hätte sich nicht hinreißen lassen zu dieser bissigen Bemerkung. Nun hatte er Silvio brüskiert und dabei hing für ihn so viel davon ab, dass sein Freund ihm gewogen blieb. Er hätte sich ohrfeigen können! Wäre ihnen doch bloß nicht diese Fiora begegnet!
Während Silvio mit Giuseppe in die Via di Mezzo bei San Ambrogio einbog und sein Magen sich beim Anblick des vertrauten Heimes in einen schmerzenden Knoten zu verwandeln schien, erreichte Fiora ihr Elternhaus in der Via dei Ferravecchi.
Es war mehr als doppelt so breit wie die meisten Häuser in der Straße, in denen die Räume übereinanderlagen, hatte dafür aber nur drei Stockwerke. Wie überall in der Stadt konnte man im Vorbeigehen ungehindert durch die weit offen stehenden Tore in die rund gemauerten Räume der Läden und Werkstätten im Erdgeschoss blicken. Viele Handwerker gingen ihrem Gewerbe gleich vorn am Eingang oder sogar auf der Straße nach, weil sie hier besseres Licht für ihre Arbeit hatten. Die Werkstätten der Goldschmiede, die stets einen Vorrat an Edelmetallen und Schmucksteinen im Haus haben mussten, verbargen sich dagegen hinter einer soliden Ziegelwand und gut gesicherten Türen und Fenstern.
Beim Haus von Emilio Bellisario war das nicht anders. Das ebenerdige Fenster neben der Eingangstür, das Licht in den der Werkstatt vorgelagerten Empfangsraum für Kunden ließ, war durch ein Gitter aus dicken Eisenstäben geschützt. Nachts boten die schweren hölzernen Schlagläden, die sich von innen versperren ließen, zusätzliche Sicherheit. Die gleichen Schlagläden fanden sich auch vor den Fenstern in den oberen Stockwerken, wo sich die Wohnräume befanden. Nur waren hier keine Eisengitter in die Maueröffnungen eingelassen worden, sondern Holzrahmen, die entweder mit ölgetränktem Leinen oder mit aus Baumwolle gefertigtem Papier bespannt waren. Glas konnten sich nur die Reichen leisten.
Atemlos schloss Fiora die Haustür auf und trat in den Vorraum. »Vater?«, rief sie sogleich, begleitet vom hellen Klingeln der Türglocke. »Ich bin es nur, Fiora! Ich bin zurück
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