Der Pate von Florenz
hinunter in die Stadt machte. Vorneweg ritten die herzoglichen Bannerträger und Herolde, die mit schmetternden Trompetenstößen das Kommen des Regenten über die Lombardei ankündigten.
Die Nachricht, dass sich der Herzog mit seinem Hofstaat auf dem Weg nach San Stefano befand, machte in Mailand schnell die Runde. Aber nur wenige seiner Untertanen fühlten sich bemüßigt, ein Banner mit den herzoglichen Farben aus dem Fenster zu hängen. Und kaum jemand bequemte sich bei diesem ungemütlichen Wetter hinaus auf die Straße, um dem Herzog die Ehre zu erweisen und ihm mit wenn auch nur halbherziger Begeisterung zuzujubeln.
Zaccaria Saggi bemühte sich redlich, seinen Gastgeber mit allerlei politischem Klatsch und amüsanten Anekdoten zu unterhalten, doch der hörte nur mit halbem Ohr zu. Angesichts des tristen Bildes, das sich seinen Augen an diesem graukalten Tag bot, wanderten seine Gedanken unwillkürlich gen Süden, in die wintermilde Toskana und insbesondere an den Arno, nach Florenz.
Er mochte der Herrscher über das reichste und militärisch stärkste Herzogtum Italiens sein und als der wichtigste Verbündete von Florenz der Garant ihrer Macht, aber wenn er an die unglaubliche Pracht ihrer Bauten dachte, an die blühende Kunst, an die freigeistige Gelehrsamkeit und die auserlesene Lebensart der führenden Familien, dann kam ihm sein Mailand ausgesprochen armselig vor. Wie rückständig seine Untertanen waren! Und dann die reichen und vornehmen Florentiner Kaufleute und Bankherren! Gar nicht zu reden von den Medici! Nicht eine seiner herzoglichen Residenzen konnte es mit dem unvergleichlich prachtvollen Palazzo aufnehmen, in dem der junge Lorenzo de’ Medici, der ungekrönte Fürst von Florenz, Hof hielt und wie sein Vater Piero und vor ihm dessen Vater Cosimo die Politik der Florentiner Republik bestimmte. Niemand förderte die Künste so freigebig wie er. Er war ein Mann von großer Belesenheit, ein Kenner der antiken Denker und Philosophen. Und als wäre das allein nicht schon mehr als genug, war Lorenzo dazu noch ein überaus begabter Dichter, aus dessen Feder erstaunliche Werke flossen. Kein Wunder, dass man den gerade Siebenundzwanzigjährigen schon Il Magnifico nannte.
Galeazzo seufzte neidvoll, während er mit seinem Gefolge die weite Piazza vor der Kirche San Stefano erreichte. Ja, es stimmte, was er damals bei seinem ersten Besuch bei den Medici in einem Brief an seinen Vater geschrieben hatte, dass alle Tinte der Toskana nicht ausreiche, um die Pracht der Stadt und der Medici gebührend zu beschreiben. Es war höchste Zeit, dass er seinem Freund und Verbündeten wieder einmal einen längeren Besuch abstattete, sich verwöhnen ließ und mit Lorenzo auf Falkenjagd ging. Die Jagd und schnelle Pferde waren eine Leidenschaft, die er mit dem Medici teilte. Ein solcher Aufenthalt würde seine freundschaftliche Beziehung zu Lorenzo und zu dessen fünf Jahre jüngerem Bruder Giuliano nicht nur auffrischen, sondern vertiefen. Zudem konnte es nicht schaden, die beiden Brüder wieder einmal daran zu erinnern, was sie ihm schuldig waren, schließlich hatte er sich auf deren Drängen gemeinsam mit Florenz auf eine Allianz mit Venedig eingelassen, dem einstigen Erzfeind Mailands. Und diese Schuld würde er gern in neuen Säcken und Truhen voll Goldflorin eintreiben.
Kaum hatte der Herzog die Kirche von San Stefano erreicht, da drang ihm auch schon der helle Gesang seines Chors durch das geöffnete Portal entgegen. Rasch stieg er vom Pferd und erklomm die wenigen Stufen zum Gotteshaus. Seine Leibwache, der Botschafter Saggi, Cicco Simonetta, Orfeo da Ricavo und einige wenige aus dem Kreis seiner Vertrauten hatten Mühe, Schritt zu halten.
Die mürrische Miene des Herzogs entspannte sich, als er sich von der Wärme, dem hymnischen Gesang, dem Lichtschein zahlloser Kerzen und dem vertrauten Geruch von Weihrauch und verbranntem Wachs in Empfang genommen fühlte.
Umgeben von seinen Leibwächtern, die mit blank gezogenem Schwert für eine breite Gasse durch die Menge der versammelten Mailänder Bürger sorgten, schritt er durch den Mittelgang. Auf halbem Weg zum Altar verharrte er kurz, so wie es der Brauch gebot. Bei seinem Eintritt hatten Kirchendiener einen ochsenkopfgroßen Ball aus weißer Wolle in Brand gesetzt, der über einer flachen Metallschale von der Decke herabhing.
Flammen loderten auf und schon nach wenigen Augenblicken war die Wolle verbrannt. Der rasch verglimmende Flammenball stand sinnbildlich
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