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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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vom Speziale!«
    Irgendetwas polterte hinter der Tür, die in die Werkstatt führte. Vermutlich war ein Stuhl umgefallen. Dann öffnete sich auch schon die Tür und der Goldschmied Emilio Bellisario stand im Rundbogen.
    Es versetzte Fiora einen Stich, als sie ihren bleichgesichtigen Vater dort stehen sah und sie sich wieder einmal eingestehen musste, wie wenig übrig geblieben war von seiner einst so stattlichen Erscheinung. Seit dem Tod ihrer Mutter vor nunmehr viereinhalb Jahren hatte er stark an Gewicht verloren. Seine alte cioppa, der lange schwarze Wollrock, den die Mutter ihm noch kurz vor ihrem tödlichen Blutsturz genäht hatte und von dem er sich einfach nicht trennen wollte, schlotterte ihm um den mageren Leib. Sein Gesicht war hager geworden, spitzknochig und altersfleckig, obwohl er noch nicht einmal die fünfzig erreicht hatte. Und auf seinem Kopf fand sich nur noch schütteres graues Haar, als hätte es die dunkle Fülle nicht gegeben, über die die Hand der Mutter noch am Tag ihres Todes gestrichen hatte.
    »Dem Himmel sei Lob und Dank, dass du endlich wieder zurück bist!«, stieß er hervor und fuhr sich mit zitternder Hand über die hohe Stirn. Ein ängstlicher, beinahe gehetzter Ausdruck lag in seinem Blick und genauso furchtsam und gehetzt klang seine Stimme, als er sie mit Fragen geradezu überschüttete: »Hast du das Elixier bekommen, Kind? Hat er Schwierigkeiten gemacht? Wollte er diesmal wissen, wie du heißt und wo du wohnst? Hat dich jemand gesehen und erkannt?«
    »Nein, Vater. Du kannst also ganz beruhigt sein«, versicherte sie ihm und wickelte vorsichtig das braune Glasfläschchen aus dem alten Leinentuch.
    Ihr Vater stieß einen Seufzer qualvoller Erleichterung aus. »Ich wünschte, ich könnte es. Aber lassen wir das. Gib mir das Elixier. Lippo Portinari kann jeden Augenblick kommen. Der hat Geld. Bei dem könnte es was zu holen geben, wo er doch frisch verheiratet ist mit seiner zweiten Frau. Aber wenn er auch nur den leisesten Verdacht schöpft, dass …«
    »Habt keine Sorge, Vater! Bisher hat noch niemand etwas gemerkt«, fiel Fiora ihm sanft, aber zugleich bestimmt ins Wort. »Und auch der Käsehändler Portinari wird keinen Verdacht schöpfen. Der Speziale hat das Elixier sogar ein wenig stärker gemacht. Es wird also noch schneller wirken als bisher. Das hat er mir versichert.«
    »Dennoch, der barmherzige Gott stehe uns bei und verzeihe uns in seiner unendlichen Güte und Gnade, dass wir uns derart gegen seine Gebote versündigen und so schändlich zu Lug und Trug greifen«, murmelte ihr Vater bedrückt und nahm das Fläschchen mit zitternden Händen entgegen.
    Auch Fiora schickte ein inständiges Stoßgebet gen Himmel. Diesmal flehte sie jedoch nicht um göttlichen Beistand, denn das hatte sie in San Michele schon zur Genüge getan, sondern dass ihrem Vater das kostbare Fläschchen nicht aus den zittrigen Händen glitt und auf dem Boden zerschellte.

7
    U nd erinnert sich noch einer, welch schäbiges Bild Rom jedem Einheimischen wie Fremden bot, als der Heilige Geist vor fünf Jahren meine einstigen Kardinalsbrüder im Konklave 1 davon überzeugte, wundersamerweise mir die hohe Bürde der Obhut der heiligen Mutter Kirche auf dem Stuhle Petri aufzuerlegen?«, fragte Papst Sixtus IV. salbungsvoll in die Runde seiner auserlesenen Gäste und hob erwartungsvoll die buschigen Augenbraunen, die einen starken Gegensatz bildeten zu seinem kahlen Schädel. Der lilienweiße und mit Goldfäden durchwirkte Seidenbrokat seiner päpstlichen Robe raschelte über seinem mächtig gewölbten Leib, als er sich in seinem leicht erhöht stehenden und reich vergoldeten thronähnlichen Lehnstuhl vorbeugte, um nach seinem Weinpokal zu greifen.
    Der zweiundsechzigjährige tonnendicke und zahnlose Pontifex Maximus 2 hatte an diesem Abend, es war der 31. Dezember, gut zwei Dutzend Männer zu einem verschwenderischen Bankett in die prunkvollen Privatgemächer seines vatikanischen Palastes in Rom geladen. Bis auf wenige Ausnahmen gehörten seine Gäste zu den Bischöfen und Kardinälen und zur Kurie 3 und nicht wenige dieser Kirchenfürsten waren seine Neffen oder auf andere Weise mit ihm verwandt. Man munkelte sogar, dass dieser oder jener kirchliche Würdenträger sein leiblicher Sohn sei.
    Alle hatten sich vor Sixtus’ Wahl zum Oberhaupt der Kirche mehr schlecht als recht durchs Leben geschlagen. Keiner von ihnen hatte sich zu einem geistlichen Leben berufen gefühlt, geschweige denn den Rock des

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