Der Pate von Florenz
Medici angeworben und schon nach kurzer Zeit dafür gesorgt hatte, dass sie in den engen Kreis der persönlichen Leibwache der Medici aufgenommen worden waren. Deshalb galt ihre unverbrüchliche Treue nicht nur ihm, sondern auch Lorenzo und dessen Familie.
Sandro stieg aus dem Sattel. Er fühlte sich zerschlagen und so alt wie ein hundertjähriger Greis. »Wo sind Vettorio und Pagolo?«, fragte er.
»Wir haben die beiden in Eurem Auftrag mit dem Fuhrwerk nach Casellina geschickt. Dort wartet angeblich eine Ladung Baumaterial auf den Abtransport«, antwortete Valori. »Bis sie morgen wieder zurück sind, wird es wohl später Mittag sein. Euren Enkelsohn haben sie nicht zu Gesicht bekommen, dafür haben wir gesorgt.«
Sandro nickte nur.
»Erlaubt, dass ich Euch zur Hand gehe, Consigliere«, sagte Valori, als Sandro sich daran machte, Kleiderbeutel, Proviantsack und Weidenkorb vom Rücken der Stute zu binden. Er griff sich Flaschenkorb und Proviantsack.
Mit schweren, müden Schritten ging Sandro über den Platz auf das Bauernhaus zu, aus dem seinen Plänen nach eines Tages eine ansehnliche Landvilla werden sollte, und trat durch die breite, weit offen stehende Tür in den großen Raum, der Küche und Wohnstube zugleich war und in dem nur wenige einfache Bauernmöbel standen. Zu beiden Seiten des rußgeschwärzten Kamins stand je eine bunt bemalte Truhe und quer davor ein langer, blank gescheuerter Holztisch, der bequem zehn Personen Platz bot. Die klobigen Stühle besaßen geflochtene Sitzflächen und Rückenlehnen.
Silvio kauerte zusammengesunken und mit gefesselten Händen am hinteren Ende des Bauerntisches, während Valoris Bruder Luciano ihm gegenüber auf einer der Truhen am Kamin saß. Silvio musste sich gegen seine Verhaftung gewehrt haben, denn seine linke Gesichtshälfte war unter dem Auge stark gerötet, angeschwollen und von blutigen Kratzern gezeichnet. Und auf der anderen Seite hatte er unterhalb des Haaransatzes eine böse Platzwunde. Außerdem war sein Ohrläppchen eingerissen. »Vater!« In Silvios Stimme lagen Todesangst und jammervolles Flehen. Und auf seinem Gesicht spiegelte sich derselbe innere Zwiespalt, dass er um sein ehrloses Verhalten wusste und dass er ausgerechnet seinen Ziehvater, den er gewissenlos betrogen und für einen Beutel Goldstücke ebenso verraten hatte wie die Medici, um Erbarmen und Rettung vor dem Tod bitten musste. In dem ruhelosen Blick seiner Augen mischte sich grenzenlose Angst mit abgrundtiefer Scham und der stummen Beschwörung um Vergebung und Rettung. Er sprang auf und warf dabei den Stuhl um. Zitternd lehnte er sich mit der Hüfte gegen die Tischkante.
Sandro erinnerte sich daran, wie er im Folterkeller Halt am Stehpult gesucht hatte.
»Consigliere«, grüßte Luciano Valori ehrerbietig und kam sofort von der Kiste hoch. Er blickte ihn jedoch nicht an, sondern sah zu Boden. Seine Miene zeigte tiefe Bestürzung und Mitleid. Es machte ihm schwer zu schaffen, dass er und sein Bruder Zeugen dieser Schande sein mussten, wo sie dem Consigliere doch so treu ergeben waren.
»Du kannst ihm jetzt die Fesseln abnehmen«, sagte Enrico Valori zu seinem Bruder, während er den Korb mit den Weinflaschen auf einen Stuhl und den Proviantsack neben ein Tischbein stellte. »Und dann komm mit nach draußen.«
»Nichts lieber als das«, murmelte Luciano Valori, zog sein Messer heraus und schnitt den Strick durch, mit dem Silvios Hände gefesselt waren.
»Wenn Ihr uns braucht, wir sind draußen bei den Pferden, Consigliere«, sagte Enrico Valori leise.
»Wartet!« Sandro trat zum Weidenkorb, der mit seinen Lederschlaufen wie eine Satteltasche auf einen Pferderücken gebunden werden konnte, und zog eine der Weinflaschen hervor. »Hier, nehmt das und lasst es euch schmecken. Es ist der beste Rote, den ich im Weinkeller habe. Es wird ein wenig dauern. Ich habe mit meinem Enkelsohn viel zu bereden. Aber lasst die beiden Pferde gesattelt.«
Die beiden Leibwächter dankten ihm, nahmen die Flasche und begaben sich nach draußen. Leise schloss sich die Tür hinter ihnen.
In Silvios Gesicht zeigte sich eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Erlösung von allen Ängsten, nachdem sein Blick nicht nur auf den Kleiderbeutel, den Proviantsack und den Korb mit den Weinflaschen gefallen war, sondern durch die offen stehende Tür auch auf seine Stute Ginerva.
»Ihr … Ihr habt Wein und … und mein Pferd gebracht?«, stieß er zitternd hervor, als könnte er noch nicht recht glauben, was
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