Der Pate von Florenz
jenes Mannes dort zutage gefördert hat«, antwortete Lorenzo mit betont kühler, reservierter Stimme und bedeutete dem Leibwächter mit einer knappen Geste, sie allein zu lassen und draußen bei den anderen Männern zu warten.
Seit dem blutigen Ostersonntag umgab er sich bei jedem Schritt außerhalb seines Palastes mit einem Dutzend kampferprobter und treu ergebener Waffenknechte, die mit gezogenem Schwert einen doppelten Ring aus Leibwächtern um ihn bildeten und niemanden an ihn heranließen, es sei denn, Lorenzo befahl es ihnen. Aber auch dann vergewisserten sie sich, ob ihrem Herrn keine Gefahr durch Waffen drohte, die die Person unter ihrer Kleidung verbarg. Die Zeit der zwanglosen und umgänglichen Volksnähe war ebenso vorbei wie die der von Selbstgefälligkeit getragenen Überzeugung, als Oberhaupt des Hauses Medici sei er unantastbar.
Sandro spürte plötzlich die beklemmende Ahnung eines unabwendbaren Unheils. »In Kenntnis worüber?« , fragte er angespannt.
Lorenzo deutete mit dem Kopf zu dem bewusstlosen Mann am Strappado hinüber und antwortete mit einer Gegenfrage. »Wisst Ihr, wer das ist?«
Sandro sah zum ersten Mal genauer hin und nickte dann. »Der Seidenhändler Filippo Sabatelli.« Er zuckte mit den Achseln, denn der Mann hatte seines Wissens nach nur eine untergeordnete Rolle in dem Komplott gegen die Medici gespielt. Er stand nicht auf gleicher Stufe mit anderen Verschwörern, die, wie Bernardo Bandini Baroncelli, im wahrsten Sinne des Wortes Blut an ihren Händen hatten und die noch immer auf freiem Fuß waren. »Einer jener Kaufleute, die mit den Pazzi gemeinsame Sache gemacht und die es noch geschafft haben, aus der Stadt zu fliehen, bevor die Namen aller Mitverschwörer bekannt geworden sind. Aber eine wichtige Rolle hat er in dem Komplott nicht gespielt, so weit ich unterrichtet bin.«
»Vielleicht nicht, was den gotteslästerlichen Anschlag im Dom betrifft. Aber er hat den Verschwörern eine geheime Information verschafft, die um ein Haar Giulianos und meinen Tod in einem Klosterraum der Badia zur Folge gehabt hätte«, erwiderte Lorenzo. »Erinnert Ihr Euch, was Hauptmann Montesecco in der ersten und nicht öffentlich gemachten Fassung seines umfassenden Geständnisses über jene Mordpläne ausgesagt hat, die am Mittwochabend vor Ostern nur deshalb nicht zur Ausführung gekommen sind, weil Giuliano mit Magenschmerzen im Bett lag und er deshalb nicht an meiner Seite war, als ich auf Belmonte die Pazzi, Erzbischof Salviati und Kardinal Riario zu Gast hatte und sie nach dem Essen durch das Kloster geführt habe?«
Sandro nickte, denn er hatte das vollständige Geständnis aufmerksam gelesen. Er wusste sofort, worauf Lorenzo anspielte. »Sabatelli hat von dem geheimen Zugang und der geheimen Wendeltreppe im Kloster gewusst. Von dort sollten die Meuchelmörder sich auf Euch und Euren Bruder stürzen und auf demselben Weg mit den anderen nach der Tat entkommen.«
Diese Passagen sowie einige andere, die sich mit den Machenschaften des Condottiere Montefeltro und des neapolitanischen Königshauses beschäftigten, fehlten in der veröffentlichten Fassung des Geständnisses – ganz im Gegensatz zu den brisanten Stellen, die den Heiligen Vater als äußerst unheiligen Mitverschwörer und blutrünstigen Heuchler entlarvten.
Aber auch Montefeltro und König Ferrante öffentlich anzuklagen, an dem verbrecherischen Komplott gegen das Haus Medici beteiligt gewesen zu sein, hätte Lorenzo keinen Vorteil gebracht. Im Augenblick mochte seine Stellung in Florenz gefestigt sein, aber noch immer drohte seiner Herrschaft über die Republik Gefahr von den militärischen Mächten im Süden und Osten. Da zahlte es sich nicht aus, Montefeltro und König Ferrante öffentlich an den Pranger zu stellen und sie zu bezichtigen, mitschuldig am Tod seines Bruders zu sein. Damit hätte er sie nur noch mehr gegen sich aufgebracht. Lorenzo hoffte, dass seine Zurückhaltung sich bei beiden auszahlte und ihm Luft verschaffte.
»Richtig, aber Montesecco hat uns nicht sagen können, woher der Seidenhändler dieses Geheimnis kannte«, fuhr Lorenzo fort. »Ihr wisst wohl noch besser als ich, dass mein Großvater Cosimo, der das Kloster dort draußen hat erbauen lassen, ein sehr vorsichtiger Mann gewesen ist. Deshalb hat er das Geheimnis mit den verborgenen Zugängen und der Wendeltreppe auch nur ganz wenigen Menschen anvertraut, nämlich ausschließlich seinen Söhnen und Euch. Seit dem Tod meines Vaters gab es meines
Weitere Kostenlose Bücher