Der Pate von Florenz
Wissens also nur noch drei Menschen, die in das Geheimnis eingeweiht waren, nämlich mein Bruder, ich – und Ihr.«
Kalter Schweiß legte sich auf Sandros Stirn. »Ihr vergesst, dass auch der Baumeister und einige seiner Arbeiter davon gewusst haben. Gut möglich, dass über Generationen hinweg einer von ihnen seinen Kindern oder Enkelkindern …«
»Nein, das Geheimnis hat ein Fontana verraten!«, fiel Lorenzo ihm kühl ins Wort.
Sandro zuckte zusammen, als hätte er einen Faustschlag in die Magengrube bekommen. Ihm stockte der Atem. »Magnifizenz, das ist eine ungeheuerliche Anschuldigung!«, stieß er hervor. »Seit fünfzig Jahren stehe ich im Dienst des Hauses Medici und meine bedingungslose Ergebenheit …«
»… steht außer Frage, Consigliere«, schnitt Lorenzo ihm erneut das Wort ab. »Eure Treue unserem Haus gegenüber ist über jeden Zweifel erhaben. Deshalb ist es für mich umso betrüblicher, Euch sagen zu müssen, dass der Verräter ein Fontana gewesen ist, der sein Wissen an Filippo Sabatelli verkauft hat.«
Sandro sah ihn verständnislos an. »Aber das ist unmöglich, Magnifizenz! Keiner meiner Söhne weiß von den geheimen Gängen und Treppen in dem Kloster! Dieses Geheimnis habe ich mit keinem Menschen geteilt!«
Lorenzo nickte. »Das glaube ich Euch. Nein, ich weiß sogar, dass nicht Ihr die Quelle seid.«
»Ja, aber wie könnt Ihr dann trotzdem behaupten, ein Fontana sei zum Verräter geworden?«
»Weil ich seit dem Morgengrauen weiß, dass es in den letzten fünfzehn oder sechzehn Jahren noch eine weitere Person gegeben hat, die in das Geheimnis eingeweiht war – und zwar von meinem Großvater persönlich«, sagte Lorenzo. »Und diese Person ist Euer Enkelsohn Silvio. Er hat sein Wissen an den Seidenhändler verkauft. Für zwanzig Goldstücke.«
Der letzte Tropfen Blut wich aus Sandros Gesicht, denn er wusste sofort, dass Lorenzo keinen Verdacht, sondern die Wahrheit aussprach. Ihm war, als legte sich eine Klaue aus Eis um sein Herz und quetschte es zusammen. Ein leichter Schwindel überfiel ihn und Halt suchend fasste er nach der Kante des Schreibpultes.
Silvio ein Verräter! … Sein eigen Fleisch und Blut hatte mit den Pazzi paktiert! … Silvio ein gewissenloser Verräter an den Medici und damit auch am Haus Fontana! … Und er hatte geglaubt, Silvio wäre nach dem Anschlag im Dom spurlos verschwunden, weil er geglaubt hatte, dass er, sein Ziehvater, hinter seine schändlichen Betrügereien und Unterschlagungen im Ziegelgeschäft gekommen war. Dabei wusste er schon seit Monaten davon!
Einen haltlosen Spieler und Betrüger zum Enkelsohn zu haben, der alle in ihn gesetzten Hoffnungen und Erwartungen bitterlich enttäuscht hatte, war schon schwer genug zu ertragen gewesen, aber das Wissen, dass Silvio auch noch den Rest seiner Ehre verkauft und für eine Handvoll Florin alles verraten hatte, was einem Fontana kostbar und heilig war … Ihm war, als risse man ihm bei lebendigen Leib ein Stück aus seinem Herzen.
Falls Lorenzo Mitleid mit ihm empfand, so zeigte er es nicht. Es sei denn, sein langes Schweigen war ein Zeichen stummen Mitgefühls.
»Wenn Euer Enkelsohn laut der Aussage des Seidenhändlers auch nicht selbst an der Verschwörung beteiligt gewesen ist, so wird er zweifellos geahnt haben, warum Sabatelli und seine Freunde so begierig auf diese und andere Informationen über uns gewesen sind«, fuhr Lorenzo schließlich fort. »Aber das und alles andere könnt Ihr hier im Protokoll nachlesen. Auch steht es Euch frei, den Seidenhändler hier und jetzt und nur unter vier Augen selbst einer Befragung zu unterziehen.«
Sandro würgte den ekelhaft fetten Kloß hinunter, der in seiner Kehle zu stecken schien. »Wisst Ihr, wo mein Enkelsohn jetzt ist?«
Lorenzo nickte. »Auf Eurem Landgut Finochieta. Ich habe ihn dorthin bringen lassen. Dort wird er von zwei Männern bewacht, auf deren Stillschweigen ich mich blind verlassen kann. Euer Name soll keinen Schaden nehmen wegen dieser Sache. Zumindest das bin ich Euch schuldig, Consigliere«, antwortete er.
Schweigend hörte Sandro zu, als Lorenzo ihm in kurzen und knappen Worten mitteilte, dass Silvio zusammen mit Filippo Sabatelli und zwei weiteren flüchtigen Männern in der vergangenen Nacht in Ketten nach Florenz zurückgebracht worden war. Sie hatten sich als einfache Bauern verkleidet, aber vergessen, sich auch von ihren teuren Strümpfen und ihrem guten Schuhwerk zu trennen. Für die Häscher, die im Auftrag der Acht das
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