Der Pate von Florenz
ihrem Vater am gestrigen Tag wieder einmal eine Schüssel aus den Händen gerutscht und zu Bruch gegangen war.
Sie feilschte mit einem Verkäufer verbissen um jeden Picciolo, sodass der Mann schließlich übertrieben zu klagen begann und theatralisch ausrief: »Mona, Mona! Du bringst mich noch um den letzten kleinen Silberling! Soll ich denn gar nichts verdienen?«
Schließlich wurden sie doch noch handelseinig und Fiora eilte zufrieden weiter durch die Stadt, diesmal nach Santa Croce zur Wollbottega der Fontana. Sie hoffte, Marcello anzutreffen, damit sie ihm mitteilen konnte, dass die Brosche fertig sei. Vielleicht kam er noch am selben Tag, um sie abzuholen und zu bezahlen.
Als sie aus einer der engen Gassen trat, die auf die Piazza di Santa Croce führte, fiel ihr Blick auf eine Gruppe vornehm gekleideter Männer. Sie standen auf den Stufen zum Portal der Kirche. Ein Notar war auch dabei.
Sie wusste sofort, was diese Zusammenkunft zu bedeuten hatte, während sie beobachtete, wie zwei ältere Männer mit zufriedener Miene einen kräftigen Handschlag austauschten. Dort fand gerade eine impalmatura statt. Es war der öffentliche, durch ebendiesen Handschlag bekräftigte Abschluss eines Ehekontraktes, nachdem der Vater der Braut und der Vater des Bräutigams sich nach langen Verhandlungen über die Mitgift einig geworden waren. Meist hatte ein sensale, ein Makler, für den Vater des Bräutigams die ersten Gespräche geführt und herauszufinden versucht, mit welcher Mitgift zu rechnen sein würde. Ein Priester war für einen Ehekontrakt genauso wenig vonnöten wie für die spätere Trauung, ein Notar jedoch sehr wohl. Denn die Verheiratung der Töchter und Söhne war in den Kreisen der Kaufmannschaft ein wichtiges und ernstes Geschäft.
Unwillkürlich wanderten Fioras Gedanken zu ihrer Schwester Costanza, die es nicht hatte erwarten können, dass ihr Vater einen Sensale mit der Suche nach einer guten Partie beauftragte. Wie gut es ihnen damals noch gegangen war! Costanza hatte die stolze Summe von eintausend Florin als Mitgift erhalten! Das waren die gesamten Ersparnisse des Vaters gewesen. Ihm wäre es lieber gewesen, Costanza hätte nicht so hohe Ansprüche an ihren zukünftigen Mann gestellt, aber am Schluss hatte sie sich durchgesetzt und voller Stolz in die Familie des Seidenhändlers Sabatelli eingeheiratet. Dass für sie, die zweitgeborene Tochter, nichts mehr geblieben war für eine Mitgift, hatte Costanza nicht gekümmert. So war nun mal das Los der jüngeren Tochter in einer Familie, die nicht auf Reichtum gebettet war! Aber wenn sie es richtig betrachtete, musste sie ihrer Schwester sogar noch dankbar sein. Denn sonst wäre auch sie selbst wohl schon längst verheiratet, und nie wäre ihr Traum in Erfüllung gegangen, von ihrem Vater die Goldschmiedekunst zu erlernen.
Nein, sie hatte keinen Grund, mit ihrem Schicksal zu hadern. Das Leben in der Werkstatt war ihr ganzes Glück. Aber was aus ihr werden sollte, wenn ihr Vater einmal nicht mehr lebte, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.
----
1 Eine alte Gewichtseinheit. 1 Gran = 0,812 g.
8
W ie ich diesen verdammten Papierkram hasse! Nimmt der denn nie ein Ende?«, fluchte Alessio im Kontor der Bottega und wühlte durch einen dicken Stoß von Abrechnungsbelegen. »Diese Zettelwirtschaft ist wie eine Hydra! Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen sogleich zwei neue nach!«
Marcello, der ihm gerade einen neuen Stoß Rechnungszettel aus dem Kontor von Gonzo Spinelli gebracht hatte, lachte auf. »Du musst eben schneller mit dem Schwert zuschlagen! Trödele nicht so lange herum, dann wachsen die Belege auch nicht zu einem Berg!«
»Du hast gut lachen! Du brauchst ja nur oben im Lager für Ordnung zu sorgen und dich darum zu kümmern, wer wie viel Garn bekommt und welcher Weber wie viel Tuch abgeliefert hat«, knurrte Alessio, nahm die Zettel achtlos in die Hand und warf sie wütend auf das große ledergebundene Rechnungsbuch auf seinem Schreibpult. »Aber was ich hier machen muss, ist Arbeit für einen Sklaven oder meinetwegen für einen angestellten Faktor, aber doch nicht für mich!«
Marcello beneidete seinen Bruder nicht um dessen Aufgabe. Denn das Rechnungsbuch einer Tuchmanufaktur zu führen war alles andere als eine leichte Aufgabe. Nicht nur die Gilden, sondern auch die Steuereintreiber der Stadt hatten strenge Vorschriften erlassen. Da durfte es keinen Fehler und keine Korrekturen geben. Jede Zahl musste säuberlich in römischen
Weitere Kostenlose Bücher