Der Pate von Florenz
erlernen? Auch habe ich es mir nicht ausgesucht, schon mit zwanzig Jahren in die Fußstapfen unseres Vaters zu treten und die Macht in Florenz zu übernehmen. Aber ich habe keine Wahl gehabt, sondern ich habe getan, was getan werden musste und wozu wir erzogen worden sind. Oder hätte ich vielleicht sagen sollen, dass ich mich der Bürde noch nicht gewachsen fühle, als Onkel Tommaso Soderini noch in der Nacht des Begräbnisses im Kloster San Antonio siebenhundert Männer aus allen Schichten der Stadt versammelte, um sie auf mich einzuschwören und mir am nächsten Tag in ihrem Namen die Übernahme der Macht antrug? Was glaubst du wohl, wie mir da zumute war? Aber als ältester Sohn habe ich mich der Verantwortung gestellt, wie Vater es von mir erwartet hat, und ich habe mich nicht darüber beklagt. Wie ich mich auch nicht darüber beklagt habe, als er mich mit Clarice, einer mir völlig fremden Frau aus Rom, verheiratet hat. Ich wusste nun mal, was ich unserem Namen und den Zielen unseres Hauses schuldig war. Diese für einen Medici notwendige Einsicht vermisse ich manchmal sehr schmerzlich bei dir.«
Stumm und mit verdrossener Miene saß Giuliano neben ihm. Sein Bruder fand wahrlich immer die richtigen Worte, um die Dinge so darzustellen, wie er sie zu sehen wünschte. Aber was wusste er denn schon davon, wie es war, wenn man immer zurückstehen musste und nie etwas Eigenes tun konnte?
»Und was deine Reputation betrifft, so sehe ich überhaupt nicht, dass du einen Grund zur Klage haben könntest«, fuhr Lorenzo sogleich fort. »Habe ich vor zwei Jahren nicht ein glanzvolles Turnier zu deinen Ehren ausgerichtet?«
»Auch das war letztlich nur eine Veranstaltung, die dem Ruhm des Hauses Medici gedient hat. Denn nicht einmal über den Sieg konnte ich mich wirklich freuen, weil sich jeder, der gegen mich angetreten ist, wohlweislich zurückgehalten hat. Der Sieg wäre mir auch gewiss gewesen, wenn ich betrunken im Sattel gesessen hätte.«
Lorenzo schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich weiß wirklich nicht, was du eigentlich willst, mein Bruder.«
»Ich will nicht nur eine Schachfigur in deinem Machtspiel sein, auch wenn sie noch so wichtig sein mag!«, stieß Giuliano heftig hervor. »Und nachdem du deinen Traum, mich zum Kardinal zu machen, begraben musstest, versuchst du nun dasselbe Spiel mit mir, indem du über meinen Kopf hinweg eine Ehe für mich zu stiften versuchst, bei der es auch wieder nur um deine politische Notwendigkeit geht.«
»Du weißt sehr wohl, dass du als Medici nur eine Frau heiraten darfst, deren Familie unsere Macht stärkt. Oder willst du vielleicht aus Liebe heiraten?«, fragte Lorenzo sarkastisch.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Giulianos Gesicht. »Unsinn! Aber es passt mir nicht, dass du entscheidest, wen ich zu heiraten habe. Ich möchte gefälligst ein Wort mitreden dürfen!«, forderte er.
»Da tust du mir aber Unrecht, Giuliano«, erwiderte Lorenzo. »Habe ich mich denn nicht deinem Widerstand gebeugt, als es um die Tochter des reichen Mailänder Kaufmanns Giovanni Borromei ging, mit dem ich schon so gut wie handelseinig gewesen bin?«
»Diese Vogelscheuche im Weiberrock! Mit der hätte ich mich nie im Leben verheiraten lassen!«, knurrte Giuliano. »Nicht einmal, wenn ihr Vater eine Mitgift von zehntausend Florin gezahlt hätte! Und jetzt hast du mit Semiramide schon wieder eine Frau ins Auge gefasst, deren Reize mir nicht gerade als betörend beschrieben worden sind.«
»Jetzt übertreibst du aber maßlos! Semiramide mag zwar keine umwerfende Schönheit sein, sie ist aber von recht gefälliger Erscheinung und sie würde dir sicher eine gute Ehefrau sein«, widersprach Lorenzo. »Eine Verbindung mit ihrer Familie wäre für uns von großem Nutzen, da ihr Vater Jacopo d’Appiano als Herr von Piombino über ein Gebiet herrscht, das für Florenz von großer strategischer Wichtigkeit ist. Zudem besitzt er Elba und somit reiche Eisenminen. Die einzigen in ganz Italien!«
Giuliano nickte mit mürrischer Miene. Natürlich, darum ging es mal wieder, um die strategische Lage und den Nutzen für das Haus Medici, denn zum Herrschaftsgebiet von Jacopo d’Appiano, das ein Protektorat des Königs von Neapel war, gehörte auch die Insel Elba. Der Landstrich an der Südgrenze der Toskana war ein ständiger Unruheherd und diente den machtgierigen Herrschern von Neapel als Einfallstor in florentinisches Herrschaftsgebiet. Heiratete er die Tochter von Jacopo d’Appiano, würde
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