Der Pate von Florenz
Stadt tagtäglich ein und aus gingen.
Fiora seufzte leise. Sie schob die trüben Gedanken beiseite, führten sie doch zu nichts. Sie musste sich in die Gegebenheiten schicken und überhaupt dankbar sein, dass der Vater damals ihrem Drängen nachgegeben und sie heimlich in der Goldschmiedekunst unterrichtet hatte. Nicht auszudenken, welch bitteres Schicksal ihrem Vater und ihr selbst andernfalls gedroht hätte! Ohne Mitgift hätte sie nur die Wahl zwischen einer Anstellung als Dienstmädchen, der Ehe mit irgendeinem mittellosen Handwerksgesellen oder aber dem Eintritt in ein Kloster gehabt. Und der Vater hätte das Haus verkaufen und von dem Erlös seine letzten Jahre in einer billigen Unterkunft zur Miete verbringen müssen.
Fiora zog das weiche, glatte Fangleder über ihrem Schoß zurecht, damit gleich beim Feilen auch nicht ein Gran 1 Krümelsilber und -staub verloren ging. Jedes noch so kleine Silberkorn war bares Geld.
Ihr brannten die Augen nach der langen Nachtarbeit an der Werkbank. Aber sie hatte gelernt, die Schmerzen in Augen, Rücken und Händen tapfer beiseitezuschieben und sich ganz auf die vor ihr liegende Arbeit zu konzentrieren.
Die Feinarbeit mit der Feile an den silbernen Blütenranken war bald geschafft. Vorsichtig löste sie die Bänder des Fangleders, ließ den feinen Silberstaub in einen kleinen Tiegel rieseln und bedeckte ihn mit einer Holzscheibe. Später würde sie die Reste mit anderem Krümelsilber zu einem kleinen Stück Bruchsilber zusammenschmelzen.
Nun musste die Brosche in ein siedendes Bad aus Weinstein getaucht werden und dann folgte die langwierige und anstrengende Politur mit Blutstein und Eberzähnen. Diesen Arbeitsgang mochte sie am allerwenigsten. Nur zu gern hätte sie dies einem Aufbereiter überlassen, aber nur ein Goldschmied, der gute Geschäfte machte, konnte es sich leisten, die Politur in die Hände eines Aufbereiters zu geben.
Es war schon weit nach Mitternacht, als Fiora endlich alle Werkzeuge weggeräumt hatte, das letzte Kerzenlicht löschte und sich in ihre Kammer begab. Todmüde schlüpfte sie aus ihrem zerschlissenen Arbeitskleid und sank ins Bett. Auf der Stelle fiel sie in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung.
Als die Kirchenglocken zur Frühmesse riefen, hätte Fiora sich am liebsten noch einmal umgedreht und ein, zwei Stunden geschlafen. Aber das konnte sie sich nicht leisten, denn auch an diesem Tag wartete viel Arbeit auf sie. Sie musste den Taufbecher für den Talglichtzieher in Angriff nehmen, zuvor jedoch noch Einkäufe machen. Auch musste sie Marcello wissen lassen, dass er die Brosche abholen konnte.
So zwang sie sich aus dem warmen Bett, schlug sich kaltes Wasser ins Gesicht, kämmte ihr Haar und zog ihr besseres Kleid an. Schnell sah sie nach ihrem Vater, dem es gottlob wieder besser ging, wie er ihr versichert hatte. Bevor sie hinaus in den frühen Morgen trat, hängte sie noch das von ihr gemalte Schild ins Fenster zur Straße, das jedem mitteilte, der Goldschmied Emilio Bellisario sei im Augenblick nicht zu sprechen. Da jeder in ihrem Viertel wusste, dass ihr Vater keinen Lehrling oder Gesellen mehr beschäftigte, war niemand verwundert. Jeder wusste, dass ein Goldschmied, der allein arbeitete, nicht zu jeder beliebigen Stunde Kunden empfangen konnte. Beim Arbeiten am Schmelzofen, beim Drahtziehen oder beim Löten durfte es nun mal keine Unterbrechungen geben. Das schützte Fiora und ihren Vater vor überraschenden und unliebsamen Besuchen.
Als Erstes ging sie zum Bäcker Fontelli auf dem Mercato Vecchio, dessen herzhaftes Brot sie besonders gern mochte. Auch wusste sie, dass seine Brotlaibe dasselbe Gewicht hatten wie die vorn im Laden ausgestellten Musterbrote, die den vorgeschriebenen Stempel der Gilde trugen und mit einem Preisschild ausgezeichnet waren.
Auf dem Markt ging es schon sehr geschäftig zu. Vor den Tavernen lümmelten die ersten Waffenknechte und andere nicht eben vertrauenerweckend aussehende Gestalten herum, die offenbar nicht früh genug an die Zapfhähne der Wirte kommen konnten. Grell geschminkte käufliche Frauen boten ihre Dienste an.
Fiora zwängte sich durch die Menge in Richtung des Doms, denn sie wollte zum Canto alla Paglia, zum Strohmarkt, der sich nur fünfzig Schritte von der majestätischen Kathedrale entfernt angesiedelt hatte. Dort hatten auch einige fahrende Töpfer ihre Stände, die preiswerte Terrakottawaren und buntes Majolikageschirr feilboten. Sie brauchte dringend neue Suppenschalen, nachdem
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