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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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er wissen musste, danach bei seinen Racheplänen auf Nummer sicher zu gehen. Die Fallen sorgsam zu platzieren und dann auf gleicher Augenhöhe in Erscheinung zu treten. Diesen Luxus konnte er nun vergessen.
    Er wusste nicht, wie der Mann in dem Zwinger mit Rumpelstilzchen in Verbindung stand, er wusste nur,
dass
es eine solche Verbindung geben musste, denn noch während Ricky nach seinem Rückzug untätig vor dem Grab des toten Ehepaars stand, hatte der Züchter telefoniert. Die Leichtigkeit, mit der der Mann das Motel gefunden hatte, in dem Ricky wohnte, war beängstigend. Er schloss daraus, dass er entschieden sorgsamer darauf achten musste, seine Spuren zu verwischen.
    Er fuhr zügig nach New Hampshire zurück und versuchte, sich ein Bild davon zu machen, wie sehr seine Existenz inMitleidenschaft gezogen war. Die willkürlichsten Ängste und widersprüchlichsten Gedanken gingen ihm durch den Kopf.
    Doch eine Erkenntnis stand obenan: Ricky konnte nicht zu der Passivität des Psychoanalytikers zurückkehren, in eine Welt, in der man erst einmal wartete, bis etwas passierte, bevor man zum nächsten Schritt überging, und in der man versuchte, all die inneren Kräfte zu verstehen und richtig zu deuten. Es war eine Welt des Aufschubs und des Reagierens. Eine Welt der Ruhe und Besonnenheit.
    Tappte er in diese Falle, würde es ihn das Leben kosten. Er wusste, dass er handeln musste.
    Zumindest musste er den Eindruck erwecken, er wäre so gefährlich wie Rumpelstilzchen.
    Er hatte gerade das Schild WILLKOMMEN IN MASSACHUSETTS passiert, als ihm ein Gedanke kam. Er sah den Wegweiser für die nächste Ausfahrt und dann den uramerikanischen Meilenstein in der Landschaft: ein Einkaufszentrum. Er verließ die Durchgangsstraße und fuhr auf den Parkplatz der Mall. Wenige Minuten später drängte er sich in der Masse der anderen Passanten in die Phalanx der Läden, die alle mehr oder weniger dieselben Waren zu mehr oder weniger demselben Preis verkauften, nur jeweils unterschiedlich verpackt, so dass die Leute das Gefühl bekamen, in all der Gleichmacherei etwas Einmaliges zu finden. Für Ricky lag darin so etwas wie Galgenhumor. Für sein Vorhaben hätte er keine bessere Umgebung finden können.
    Wenig später hatte er neben dem
Food Court
ein paar Telefonzellen gefunden. An die erste Nummer erinnerte er sich nur zu gut. Hinter ihm herrschte das gedämpfte Stimmengewirr von Leuten, die sich beim Essen unterhielten, und so legte er die hohle Hand an die Sprechmuschel, während er die Nummer wählte.
    »
New York Times
, Kleinanzeigen.«
    »Ja«, sagte Ricky liebenswürdig. »Ich würde gerne eine von diesen Kleinanzeigen auf der Titelseite aufgeben.«
    Er ratterte die Kreditkartennummer herunter. Der Mitarbeiter nahm die Angaben auf und fragte dann, »Alles klar, Mr. Lazarus, wie lautet der Text?«
    Ricky überlegte einen Moment und sagte:
»Mr. R., auf in die nächste Runde. Eine neue STIMME.«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung las es noch einmal vor. »Das wär’s?«, fragte er.
    »Das wär’s«, bestätigte Ricky. »Und das Wort
Stimme
bitte in Großbuchstaben, ja?«
    Der Mann bestätigte den Auftrag, und Ricky beendete das Gespräch. Anschließend ging er zu einem Schnellimbiss, bestellte sich einen Kaffee und schnappte sich eine Handvoll Servietten. Ein wenig abseits von der Menge fand er einen Tisch. Den Stift in der Hand, machte er es sich bequem. Er nippte an seinem Kaffee und verbannte den Lärm und das geschäftige Treiben in seiner Umgebung aus seinem Bewusstsein, um sich ganz auf das zu konzentrieren, was er schreiben wollte. Ein paarmal tippte er sich mit dem Kugelschreiber an die Zähne, nahm wieder einen Schluck und mahnte sich die ganze Zeit zur Ruhe, während er sorgfältig plante. Er benutzte die Servietten als Schmierpapier und hatte nach einigen Fehlversuchen schließlich die folgenden Zeilen formuliert:
     
    Du weißt, wer ich war, nicht wer ich bin.
Und deshalb sitzt du in der Tinte.
Ricky ist weg, für immer dahin.
Dafür gibt’s jetzt mich, und das ist keine Finte.
Lazarus ist auferstanden, darauf mein Wort,
Jetzt geht es einem anderen an den Kragen.
Ein neues Spiel am alten Ort,
Das wollen wir ab jetzt austragen.
Dann sehn wir, wem das Ende droht,
Denn, Mr. R., selbst schlechte Dichter lieben den Tod.
     
    Ricky bewunderte sein Werk eine Weile und kehrte zu den Telefonzellen zurück. Im Nu war er mit der Anzeigenabteilung der
Village Voice
verbunden. »Ich möchte eine Kontaktanzeige aufgeben«,

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