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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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jemand stirbt, als über den Menschen, der gegangen ist.
    Er konnte nicht sagen, wie lange er dort vor den Gräbern gestanden hatte, bevor er sie sich näher ansah. Es gab einen Doppelgrabstein, auf dem nur die Namen sowie Geburtsund Todesdatum standen.
    Irgendetwas stimmte damit nicht, und er starrte auf die spärliche Information, um herauszufinden, was. Er brauchte ein paar Sekunden, bis der Groschen fiel.
    Das Datum des Mordes mit anschließendem Selbstmord fielin denselben Monat, in dem die Adoptionspapiere unterschrieben worden waren.
    Die Jacksons waren beide in den Zwanzigerjahren geboren, waren folglich bei ihrem Tod beide etwa Mitte sechzig.
    Ihm wurde plötzlich wieder heiß, und er lockerte die Krawatte um den Hals.
    Der falsche Bauch schien wie ein Zentnergewicht an ihm zu zerren, und die falsche Prellung und Narbe in seinem Gesicht fingen plötzlich an zu jucken.
    Niemand konnte in dem Alter ein Kind adoptieren, geschweige denn drei, dachte er. Die Richtlinien, denen die Agenturen unterlagen, würden dieses kinderlose Paar praktisch von vornherein ausschließen und einem jüngeren, belastbareren den Vorzug geben.
    So stand Ricky an den Gräbern und kam zu dem Schluss, dass er sich einer Lüge gegenübersah. Nicht hinsichtlich ihres Todes. Der war nur allzu real. Aber hinsichtlich ihres Lebens.
     
    Hier stimmt rein gar nichts, dachte er. Alles ist völlig anders, als es sein müsste. Er hatte das Gefühl, dass sich direkt vor seinen Augen Abgründe auftaten, deren Ausmaß er erst in dieser Sekunde erahnte. Rache, die keine Grenzen kannte.
    Er mahnte sich, so schnell wie möglich in die Sicherheit von New Hampshire zurückzukehren und dort in Ruhe durchzugehen, was er erfahren hatte, um einen klugen nächsten Schritt zu planen. Er parkte den Wagen vor der Econo Lodge und entdeckte bei seinem Betreten der Lobby einen neuen Portier. Omar hatte an James übergeben, der nicht einmal seine Fertigkrawatte gerade um den Hals gebunden hatte.
    »Ich reise ab«, sagte Ricky. »Mr. Lazarus. Zimmer 232.«
    Der Portier lud auf dem Computer eine Rechnung hoch undsagte: »Nichts offen. Nur ’n paar telefonische Nachrichten für Sie.«
    Ricky schwieg einen Moment, bevor er nachfragte, »Telefonische Nachrichten?«
    James der Portier nickte. »Der Typ von dem Hundezwinger hat angerufen und gefragt, ob Sie hier wohnten. Wollte ’ne Nachricht auf Ihrem Zimmertelefon hinterlassen. Und dann war da eben, kurz bevor Sie reingekomen sind, noch eine.«
    »Von demselben Mann?«
    »Keine Ahnung. Ich drücke nur die Knöpfe. Hab nicht mit demjenigen gesprochen. Lässt nur hier auf meiner AnrufÜbersicht ’ne Nummer aufleuchten. Zimmer 232. Zwei Nachrichten. Wenn Sie wollen, können Sie das Telefon da drüben nehmen und Ihre Zimmernummer eingeben und dann Ihre Nachrichten abhören.«
    Ricky folgte dem Rat. Die erste war von dem Zwingerbesitzer.
    »Ich dachte mir schon, dass Sie in einer billigen Absteige in der Nähe wohnen. Muss man kein Hellseher sein. Ich hab über Ihre Fragen nachgedacht. Rufen Sie mich an. Ich glaube, ich hab vielleicht doch Informationen, die Ihnen weiterhelfen könnten. Aber Sie zücken besser schon mal Ihr Scheckbuch. Das wird nicht billig.«
    Ricky drückte die Zahl Drei, um die Nachricht zu löschen. Die nächste wurde automatisch abgespielt. Die Stimme war kurz angebunden, kühl und überraschend, fast als fände man an einem brütenden Sommertag ein Stück Eis auf dem heißen Bürgersteig.
    »Mister Lazarus, ich erfahre soeben von Ihrer Wissbegier hinsichtlich der verstorbenen Mr. und Mrs. Jackson, und ich denke, ich verfüge möglicherweise über Informationen, die Ihnen bei Ihren Nachforschungen helfen könnten. Bitte rufenSie mich so bald wie möglich unter der Nummer 212-555-1717 an, und wir können ein Treffen arrangieren.«
    Die Anruferin nannte keinen Namen.
    Das brauchte sie auch nicht. Ricky erkannte auf Anhieb die Stimme von Virgil.

 
TEIL III
Auch schlechte Dichter lieben den Tod

28
     
    Ricky floh.
    Die Tasche hastig gepackt, fuhr er mit quietschenden Reifen los, gab auf dem Highway richtig Gas und machte sich vor dem Motel in New Jersey sowie der Stimme am Telefon aus dem Staub. Er nahm sich kaum die Zeit, die falsche Narbe von der Wange abzuwischen. Im Verlauf eines einzigen Vormittags hatte er es fertiggebracht, die Zeit so zu verkürzen, dass sie vom Verbündeten zum Gegner wurde. Er hatte gehofft, nach und nach an Rumpelstilzchens Anonymität zu kratzen und, sobald er wusste, was

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