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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Brutus erreicht. Er zog den Riegel zurück, und der Hund sprang mit klaffendem Maul, aber still, sofort an seine Seite. Der Züchter machte ein unauffälliges Zeichen mit der offenen Hand, und der Hund rührte sich nicht, während er die Augen nicht von Ricky wandte und auf den nächsten Befehl wartete.
    Ricky drehte sich zu dem Hund und seinem Besitzer um, bevor er langsam rückwärts die letzten Meter zum Wagen ging. Er griff in die Hosentasche und zog die Autoschlüssel heraus. Erst jetzt stieß der Hund ein einziges, tiefes Knurren aus, das ebenso bedrohlich war wie die angespannten Muskeln in seinen Schultern sowie die gespitzten Ohren, die auf das erlösende Zeichen des Züchters horchten.
    »Ich glaube nicht, dass ich Sie hier noch einmal sehe, Mister«, sagte der Züchter. »Und ich glaube, es wäre auch keine sogute Idee, dass Sie sich noch mal hier blicken lassen und lästige Fragen stellen.«
    Ricky wechselte die Schlüssel in die linke Hand und öffnete die Tür. Gleichzeitig schob sich die Rechte in die Brusttasche und griff nach der halbautomatischen Waffe. Dabei ließ er den Hund nicht aus den Augen, während er fieberhaft überlegte, was er vielleicht tun musste. Entsichern. Die Pistole ziehen. Laden. Eine Schussposition einnehmen und zielen. So oft er das am Schießstand getan hatte, war er nie in Eile, unter Druck gewesen, und trotzdem dauerte es mehrere Sekunden. Er hatte keine Ahnung, ob er rechtzeitig einen Schuss abfeuern und wenn ja, ob er den Hund auch treffen konnte. Außerdem kam ihm der Gedanke, dass das Tier vielleicht erst nach mehreren Schüssen erledigt war.
    Der Rottweiler würde den Abstand zwischen ihnen vermutlich in zwei, drei Sekunden höchstens überwinden. Begierig kroch das Tier ein kurzes Stück auf Ricky zu. Nein, dachte Ricky, weniger. Er wäre in einer Sekunde bei ihm.
    Der Züchter sah Ricky an und registrierte, wie seine Hand unauffällig Richtung Tasche glitt. Er lächelte. »Herr Privatdetektiv, selbst wenn Sie da in Ihrer Tasche eine Waffe haben, glauben Sie mir, das bringt Ihnen nichts. Nicht bei diesem Hund in dieser Entfernung. Keine Chance.«
    Ricky legte die Hand um den Pistolengriff und den Zeigefinger um den Abzug. Er hatte selbst die Augen zusammengekniffen, und der ruhige Ton seiner eigenen Stimme klang ihm fremd. »Mag sein«, sagte er sehr langsam und bedacht, »wäre durchaus möglich, dass ich das weiß. Und vielleicht hab ich gar keine Lust, Ihrem Hund da eine Ladung zu verpassen. Stattdessen werde ich einfach Ihnen eine Kugel mitten in die Brust jagen. Sie sind ein richtig großes Zielobjekt, und glauben Sie mir, ich schieß bestimmt nicht daneben. Und Sie sindtot, bevor Sie auf dem Boden liegen, Sie werden es nicht mal mehr erleben, wie Ihr Köter mich verspeist.«
    Bei dieser Bemerkung zögerte der Züchter. Er legte die Hand auf das Hundehalsband und hielt das Tier zurück. »Nummernschild aus New Hampshire«, sagte er nach einer Weile. »Mit dem Motto, ›In Freiheit leben oder sterben‹. Sehr einprägsam. Und jetzt machen Sie, dass Sie hier rauskommen.«
    Ricky zögerte nicht, in den Wagen zu steigen und die Tür zuzuknallen. Er zog die Pistole aus der Tasche und warf den Motor an. In wenigen Sekunden fuhr er los und wagte im Rückspiegel einen letzten Blick auf den Züchter, der – den Rottweiler immer noch an seiner Seite – am selben Fleck stand und dem davonfahrenden Wagen hinterhersah.
    Er bekam schwer Luft. Es war, als sei von der Hitze draußen die Klimaanlage des Autos zusammengebrochen, und so kurbelte er, noch bevor er von der Einfahrt auf die geteerte Straße rumpelte, die Scheibe herunter und schnappte nach dem Fahrtwind, der ihm entgegenströmte. Er schmeckte heiß auf der Zunge.
     
    Er fuhr an den Straßenrand, um sich zu fassen. Im selben Moment sah er das Friedhofstor. Ricky beruhigte seine Nerven und versuchte, einzuschätzen, was am Haus des Züchters geschehen war. Eindeutig hatte die Erwähnung der drei Waisenkinder eine Reaktion ausgelöst. Er nahm an, dass sie fast unterschwellig aus seinem Innersten gekommen war. Der Mann hatte seit Jahren nicht an diese drei Kinder gedacht, und da kommt Ricky daher und stellt ihm eine einzige Frage, die einschlägt wie der Blitz.
    Von der Begegnung ging eine Gefahr aus, die über den Hund an der Seite des Mannes weit hinauszugehen schien. Ricky hatte beinahe das Gefühl, als hätte der Mann schon seit Jahrenauf jemanden wie ihn gewartet, der plötzlich auftaucht und ihm diese Fragen

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