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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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über das Pergament, das er inzwischen hervorgeholt hatte.
    »Das ist ja sehr interessant, aber warum erzählst du mir all dies? Ich habe heute noch viel Arbeit und muss schleunigst zu den anderen in den Wald«, nutzte der Kastellan die Denkpause seines heute lästig erscheinenden Freundes.
    »Du hast recht. Ich könnte dir noch viel über den restlichen Inhalt dieser Urkunde erzählen, möchte es aber dabei belassen, dich abschließend wissen zu lassen, dass durch dieses Schriftstück dokumentiert ist, dass es unseren Ort seit mindestens 767 Jahren gibt.«
    »Fürwahr interessant. Und was machst du jetzt mit diesen wertvollen Dokumenten?«, fragte der Kastellan mit gelangweilt hochgezogenen Augenbrauen.
    »Mein geistlicher Bruder erfreute sich so daran, dass ich sie ihm zur Aufbewahrung im Kloster St. Gallen versprochen habe, immerhin kommen sie auch von dort.«
    »Aber alles, was sich in Staufen befindet und nicht in Privatbesitz ist – und wer hat schon privates Eigentum von Wert – , gehört dem Grafen«, dozierte der Kastellan mit jetzt streng nach oben gezogenen Auenbrauen.
    »Das sehe ich nicht so! Immerhin haben sie sich in einem Schrank befunden, der hier und nicht im Schloss oben steht – und das Propsteigebäude gehört nicht dem Grafen, sondern unserer Amtskirche«, antwortete der katholische Priester schroff. Obwohl er stets gut mit dem Grafen und dem Oberamt zusammengearbeitet hatte, begannen jetzt seine Augen böse zu funkeln.
    Es war schon immer so gewesen, dass die weltliche und die kirchliche Herrschaft um Ansehen, Ruhm, Ehre und vor allen Dingen um Besitztümer gebuhlt hatten. Auch wenn nicht die Kirche selbst, sondern Hugo Graf von Montfort 1328 das hiesige Kollegialstift gegründet hatte, stand Propst Glatt den weltlichen Herrschern mit einem gewissen Abstand gegenüber. Als der Graf 1388 daran gegangen war, die Burg Staufen zu vergrößern, hatte es sich die Kirche nicht nehmen lassen, schon ein Jahr später das damals kleine, hölzerne Gotteshaus zu einem stattlichen Steinbau zu erweitern. Die gotische Kirche war damals zudem reich, gleich mit drei Altären, ausgestattet gewesen. Ob nun die kirchliche oder die weltliche Herrschaft dem Größenwahn verfallen war, hatte keine große Rolle gespielt, da die Zeche in jedem Fall das Volk hatte bezahlen müssen.
    Auch wenn der Streit zwischen Klerus und Adel nicht mehr offen ausgetragen wurde, schwelte er immer noch im Stillen.
    »Entschuldige, Ulrich«, riss sich der Propst selbst aus seinen Gedanken.
    »Schon gut, Johannes! Jetzt erzähl mir aber, um was es überhaupt geht. Das war doch sicher noch nicht alles. Sprich endlich! Was möchtest du mir mitteilen?«
    Der Priester zupfte seine Soutane zurecht, wandte sich still ab, um zwei Becher und eine Kanne Wein zu holen.
    »Haben wir etwas zu feiern?«
    »Ja«, kam die unmittelbare Antwort des Kirchenmannes. »Du wirst es nicht glauben, was sich noch für ein Schriftstück im Geheimfach befunden hat. Eine heikle Sache, über die du mit niemandem reden darfst, wenn dir dein Leben lieb ist! Hast du das verstanden, Ulrich? Eine fürwahr gefährliche Sache«, fügte er noch murmelnd hinzu.
    Da der Propst wusste, dass er sich auf den Kastellan verlassen konnte, holte er auch dieses Schriftstück hervor und begann zu berichten: »Es war im Jahre … «
    In diesem Moment klopfte es an die Tür, und der junge Kanoniker Martius Nordheim trat ein. Schlagartig deckte der Propst das Schriftstück zu und wechselte das Thema. Als wenn Ulrich Dreyling von Wagrain erst kurz vor dem Jungpriester den Raum betreten hätte, fragte er seinen Freund laut vernehmbar, was ihn zu ihm geführt habe. Die bereits mit Wein gefüllten Becher könnten verraten, dass der Kastellan doch schon ein Weilchen hier war. Aber dies hatte der plötzlich unruhig gewordene Priester in der Eile nicht bedacht, weswegen er den Kanoniker etwas verstört ansah, was der Kastellan bemerkte.
    Geistesgegenwärtig antwortete dieser wahrheitsgemäß, dass es um Schwester Bonifatia, die Leiterin des Leprosenhauses, gehe.
    »Störe ich Euer Gespräch?«, fragte der junge Geistliche irritiert und nahm sogleich eine devote Haltung an.
    »Im Gegenteil: Es war sowieso nicht so wichtig, was ich dem Kastellan erzählen wollte«, tat der Propst, der beim Geschichtenerzählen schon mal übertreiben konnte, die Frage des Kanonikers ab. »Tretet näher, Kanonikus. Ihr seid doch nicht nur in der Seelsorge, sondern ebenso wie die Euch bestens bekannte Schwester

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