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Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Stunden Tageslicht, und doch fühlte sie sich bereits jetzt, als hätte sie eine schwere Kiste zwanzig Meilen weit getragen. Sie stellte den Becher wieder auf das Tablett und zog ihr kleines, ledergebundenes Büchlein aus ihrem Gürtel hervor. Es dauerte stets eine Weile, bis jene gebracht wurden, nach denen sie schickte. Einige Augenblicke, in denen sie ihre Aufzeichnungen durchgehen und neue Notizen machen konnte, wären keine vergeudete Zeit.
    Es war nicht nötig, Notizen über die Gefangenen zu machen, aber das plötzliche Erscheinen Cadsuane Melaidhrins vor mittlerweile drei Tagen gab Anlaß zur Sorge. Hinter was war Cadsuane her? Ihre Begleiter konnte man außer acht lassen, aber Cadsuane selbst war eine Legende, und allein schon die glaubhaften Erzählungen machten sie in der Tat gefährlich. Gefährlich und unberechenbar. Verin nahm eine Feder aus dem kleinen hölzernen Schreibkästchen, das sie stets bei sich trug, und griff nach der verschlossenen Tintenflasche in ihrer Hülle, als erneut eine Weise Frau das Zelt betrat.
    Verin sprang so rasch auf, daß ihr Büchlein herabfiel. Aeron konnte die Macht überhaupt nicht lenken, und doch vollführte Verin vor der bereits ergrauenden Frau einen weitaus tieferen Hofknicks, als sie es vor Daviena und Losaine getan hatte. Als ihr Gesicht fast den Boden berührte, ließ sie ihre Röcke los, um nach dem Büchlein zu greifen, aber Aerons Finger erreichten es zuerst. Verin richtete sich auf und beobachtete gelassen, wie die größere Frau die Seiten durchblätterte.
    Himmelblaue Augen begegneten ihren. Ein Winterhimmel. »Einige hübsche Zeichnungen und sehr vieles über Pflanzen und Blumen«, sagte Aeron kalt. »Ich kann nichts über die Untersuchung entdecken, derentwegen Ihr gesandt wurdet.« Sie drückte Verin das Buch barsch in die Hand.
    »Danke, Weise Frau«, sagte Verin demütig und verstaute das Büchlein wieder sicher in ihrem Gürtel.
    Sie vollführte sogar vorsichtshalber noch einen weiteren, ebenso tiefen Hofknicks wie den ersten. »Ich habe die Angewohnheit zu notieren, was ich sehe.« Eines Tages würde sie die Geheimschrift, die sie für ihre Aufzeichnungen benutzte, in entschlüsselter Form niederschreiben müssen. Eines Tages, aber hoffentlich nicht allzu bald. Die Schränke und Kisten in ihren Räumen über der Bibliothek der Weißen Burg waren voll mit solchen Büchern. »Was die ... ehm ... Gefangenen betrifft, so berichten sie bisher denselben Sachverhalt alle unterschiedlich. Der Car'a'carn sollte bis zur Letzten Schlacht in der Burg aufgenommen werden. Seine ... ehm ... Mißhandlung begann nach einem Fluchtversuch. Aber das wißt Ihr natürlich bereits. Aber seid unbesorgt - ich werde gewiß noch mehr erfahren.« Das war nur zu wahr, wenn auch nicht die ganze Wahrheit. Sie hatte zu viele Schwestern sterben sehen, um es zu riskieren, die anderen ohne einen sehr guten Grund ins Grab zu schicken. Schwierig war jedoch zu entscheiden, was dieses Risiko auslösen könnte. Die Umstände der Entführung des jungen al'Thor durch eine Abordnung erweckte in den Aiel Mordlust, aber was sie seine ›Mißhandlung‹ nannten, erzürnte sie kaum, soweit sie es beurteilen konnte.
    Gold- und Elfenbeinarmbänder klapperten leise, als Aeron ihre dunkle Stola richtete. Sie betrachtete Verin, als versuche sie, deren Gedanken zu lesen. Aeron nahm unter den Weisen Frauen anscheinend einen hohen Rang ein, und obwohl Verin gelegentlich ein Lächeln jene tief gebräunten Wangen hatte kräuseln sehen, ein herzliches und unbeschwertes Lächeln, galt es jedoch niemals einer Aes Sedai. Wir hätten niemals vermutet, daß Ihr diejenigen wärt, die versagen, hatte sie Verin recht niedergeschlagen eröffnet. Ihre weiteren Worte hatten jedoch keinen Zweifel mehr gelassen. Aes Sedai besitzen keine Ehre. Gebt mir nur den geringsten Grund, Euch zu mißtrauen, und ich werde Euch eigenhändig züchtigen, bis Ihr nicht mehr stehen könnt. Gebt mir einen zweifachen Grund, Euch zu mißtrauen, und ich werde Euch für die Geier und Ameisen pfählen. Verin sah blinzelnd zu ihr hoch und bemühte sich, aufrichtig zu wirken. Und demütig. Sie durfte nicht vergessen, demütig zu wirken. Fügsam und willfährig. Sie empfand keine Angst. Sie hatte in ihrem Leben schon härteren Blicken standgehalten, von Frauen - und Männern -, die nicht Aerons wenn auch geringe Bedenken teilten, wenn es darum ging, ihr Leben zu beenden. Aber es hatte sie erhebliche Mühe gekostet, zu dieser Befragung geschickt

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