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Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Windsucherinnen. Die Frauen der Schwesternschaft starrten Aviendha an, wobei sie lautlos die Lippen bewegten.
    Elayne nickte wider Willen leicht. Es war eindeutig möglich, aber eines der ersten Dinge, die sie als Novizin gelernt hatte, war, daß sie niemals, niemals, egal unter welchen Umständen, das versuchen durfte, was Aviendha gerade getan hatte. Man konnte ein Gewebe, jegliches Gewebe, nicht zerreißen, anstatt es einfach verlöschen zu lassen, so hatte man ihr gesagt, ohne unvermeidlich Unglück auf sich zu ziehen. Unvermeidlich.
    »Törichtes Mädchen!« fauchte Vandene mit wutverzerrtem Gesicht. Sie schritt auf Aviendha zu und zog ihren Wallach hinter sich her. »Erkennt Ihr, was Ihr fast getan hättet? Ein Fehler - nur einer! -, und niemand weiß, was das Gewebe tun wird! Ihr hättet alles in hundert Schritt Umkreis vollständig zerstören können! In fünfhundert Schritt! Alles! Ihr hättet Euch selbst ausbrennen können und...«
    »Es mußte sein«, unterbrach Aviendha sie. Gemurmel erklang von den berittenen Aes Sedai, die sich um sie und Vandene scharten, aber Aviendha sah sie an und übertönte es. »Ich kenne die Gefahren, Vandene Namelle, aber es mußte sein. Ist dies noch etwas, was Ihr Aes Sedai nicht tun könnt? Die Weisen Frauen sagen, jede Frau könne es lernen, wenn man es sie lehrt, einige Frauen besser und andere schlechter, aber jede Frau könne es lernen, wenn sie Stickerei zerpflücken kann.« Es war kein Hohn. Nicht ganz.
    »Hier geht es nicht um Stickerei, Mädchen!« Merililles Stimme klang eiskalt. »Welche sogenannte Ausbildung Ihr auch immer bei Eurem Volk erhalten habt, so wißt Ihr wahrscheinlich dennoch nicht, womit Ihr spielt! Ihr werdet mir versprechen - schwören! -, daß Ihr dies niemals wieder tun werdet!«
    »Ihr Name sollte im Novizinnen-Buch stehen«, sagte Sareitha über die Schale hinweg blickend, die sie noch immer fest an ihren Busen drückte. »Ich habe es schon immer gesagt. Sie sollte in das Buch eingetragen werden.« Careane nickte, und ihr strenger Blick paßte Aviendha bereits das Novizinnengewand an.
    »Das ist im Moment vielleicht noch nicht notwendig«, sagte Adeleas zu Aviendha, während sie sich im Sattel vorbeugte, »aber Ihr müßt Euch von uns anleiten lassen.« Der Tonfall der Braunen Schwester klang weitaus sanfter, als der Tonfall der anderen Frauen geklungen hatte, und dennoch waren ihre Worte nicht als Vorschlag gedacht.
    Vor ungefähr einem Monat hätte Aviendha unter all der Mißbilligung der Aes Sedai vielleicht den Mut verloren, aber jetzt nicht mehr. Elayne zwängte sich hastig zwischen den Pferden hindurch, bevor ihre Freundin den Dolch zu ziehen beschloß, den sie liebkoste, oder etwas noch Schlimmeres tat. »Vielleicht sollte einmal jemand fragen, warum sie es für nötig gehalten hat«, sagte sie und legte schützend einen Arm um Aviendhas Schultern.
    Aviendha schloß sie in den gereizten Blick nicht mit ein, den sie den anderen Schwestern zuwarf. »Nach dem, was ich getan habe, bleibt nichts von dem Wegetor übrig«, sagte sie geduldig. Zu geduldig. »Andernfalls könnten die Überreste eines solch großen Gewebes noch in zwei Tagen erkannt werden.«
    Merilille schnaubte vernehmlich. »Es ist ein seltenes Talent, Mädchen. Weder Teslyn noch Joline besitzen es. Oder wird es Aiel-Wilden beigebracht?«
    »Nur wenige besitzen dieses Talent«, räumte Aviendha gelassen ein. »Ich aber schon.« Nun wurde sie anders angesehen, auch von Elayne. Es war ein sehr seltenes Talent. Sie schien es nicht zu bemerken. »Wollt Ihr behaupten, daß keine der Schattenseelen es besitzt?« fuhr sie fort. Die Anspannung ihrer Schultern unter Elaynes Hand zeigte, daß sie nicht so gelassen war, wie sie vorgab. »Seid Ihr solche Narren, daß Ihr Spuren hinterlaßt, denen Eure Feinde folgen können?
    Jedermann, der die Überreste erkennen kann, könnte ein Wegetor zu diesem Ort eröffnen.«
    Das hätte normalerweise ihre Redegewandtheit, ihre sehr große Redegewandtheit, herausgefordert, aber die Behauptung genügte, Merilille nur schweigend blinzeln zu lassen. Adeleas öffnete den Mund und schloß ihn dann lautlos wieder, und Vandene runzelte nachdenklich die Stirn, während Sareitha einfach nur besorgt wirkte. Wer wußte schon, welche Talente die Verlorenen besaßen?
    Seltsamerweise wich alle Wut aus Aviendha. Sie senkte den Blick und lockerte ihre Schultern. »Vielleicht hätte ich das Wagnis nicht auf mich nehmen sollen«, murrte sie. »Ich konnte nicht klar

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