Der Pfad des Kriegers (German Edition)
Gegner würde die Angelegenheit dann schnell beenden. Thomas schwankte zwischen Fatalismus und Panik. Sterben war vermutlich gar nicht so schlecht, nicht schlechter zumindest als das, was er in den letzten Tagen erlebt hatte. Ruan würde gefällig auf seinen Tod in der Schlacht blicken und ihn zu sich holen. Zugleich schmeckte die Luft aber so frisch wie lange nicht mehr, das erste Mal seit Tagen hörte er die Vögel im hohen Gras wieder singen und er wollte all dies noch tausende Mal erleben. Er wollte keinen Ruhm und keinen Schlachtentod, nur diese kleinen Momente des Glücks. Vielleicht war ein neues Heer war von Süden aufgebrochen, um sie zu rächen? Er hatte viele der Männer abends und in den kurzen Pausen darüber reden hören, aber am Ende der Diskussionen war doch immer deutlich geworden, wie unwahrscheinlich das war. Nein, für die nächsten Jahre würde es wohl keine Heereszüge nach Norden mehr geben, zu furchtbar war diese Niederlage gewesen.
Die wenigen Vorräte waren schnell verzehrt und die Männer hatten sich jetzt alle vor dem kleinen, kaum hüfthohen Wall eingefunden. Er selbst ließ sich kaum zur Verteidigung verwenden, doch immerhin konnten die Angreifer hier nur von einer Seite kommen und der zugewachsene Graben würde zumindest einige von ihnen aufhalten und sie zwingen aus einer schlechteren Position heraus zu kämpfen. Ändern würde dies am Ende nichts.
Eine seltsame Gelassenheit hatte die Männer erfasst. Der gehetzte Blick war aus ihren Augen verschwunden und ein leichtes Lächeln zeigte sich in vielen Gesichtern. Es war der Tag gekommen, den jeder Krieger herbeisehnte und zugleich fürchtete. Der Tag, an dem er in der Schlacht fallen würde. Zwar würde von dieser Schlacht kein Barde singen, aber Ruan sah alles.
Thomas hatte inzwischen wieder Angst und wäre am liebsten davongelaufen, zugleich konnte er sich jedoch der Magie dieses Augenblicks nicht entziehen. Welche Wahl hatte er auch schon? So stand auch er jetzt vor dem Wall, den großen Kampfspeer in der rechten Hand, den Schild am linken Arm. Das erste Mal seit Tagen betrachtete er wirklich die Männer um sich herum. Da waren Kendall und Merrion, wie immer in der ersten Reihe. Daneben stand der dicke Aodh, der immer so freundlich zu ihnen gewesen war, als sie noch Kinder waren. Sitric, der Bruder seines besten Freundes Bryn, nur wenige Jahre älter als er, aber bereits mit Frau und zwei Kindern antwortete auf Thomas Blick mit einem leichten Grinsen und nickte ihm freundlich zu. Wie hatte es Bryns Schwester immer genervt, wenn sie auf seine beiden Kinder hatte aufpassen müssen. Ronan stand direkt zu seiner Rechten. Er war einer wenigen, die noch einen Wurfspieß besaßen. Jetzt hatte er ihn in der Hand und wartete auf den richtigen Augenblick. Mahan blickte ernst in die Ferne, wie eh und je. Er war schweigsam, aber im Dorf aufgrund seines Geschicks bei der Jagd wohlgelitten. In den letzten Tagen hatte er gezeigt, dass er auch im Krieg ein guter Gefährte war. Ein Schrei unterbrach seine Gedanken und er blickte nach vorn:
„Sie kommen!“
Der Ausruf bestätigte nur, was sie ohnehin alle sahen. Über sechzig Maegrin kamen langsam den Hügel hinauf. Noch waren sie zu weit entfernt um ihre Äxte zu schleudern, doch dies würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Immer deutlicher konnte er die einzelnen Gesichter ausmachen. Bisher war noch von keiner Seite ein Kriegsruf ausgestoßen worden. Alles schien still, man konnte sogar die Schritte der Männer unter ihnen hören. Ganz anders als wenige Tage zuvor, als man für einen halben Tag nur die Schreie von anstürmenden Kriegern, von Verwundeten und Sterbenden, von Siegreichen und Besiegten vernommen hatten.
Ronan warf seinen Speer und er traf. Im Hals getroffen brach einen der Maegrin zusammen. Nur Augenblicke später folgten die drei anderen Wurfspieße, die sie noch hatten und auch von diesen fanden zwei ihr Ziel. Die besten Werfer unter ihnen hatten die letzten Spieße erhalten und Thomas hatte noch nie davon gehört, dass Aodh jemals sein Ziel verfehlt hätte. Wütendes Geschrei brach unter den Maegrin aus, die jetzt anfingen zu rennen. Thomas und die anderen hatten bereits alle hinter ihren Schilden Deckung gesucht, als die Wurfäxte auf sie einprasselten. Dennoch fanden anscheinend einige ihr Ziel, die lauten Schmerzensschreie waren nicht zu überhören. Doch Zeit sich nach den Verwundeten umzusehen, blieb keine, denn kaum hatte Thomas sich wieder aufgerichtet, war die
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