Der Pfad des Kriegers (German Edition)
abwartend blieb er vor Sigurd stehen, der ihn nach einiger Zeit dann schließlich doch mit einem Kopfnicken zum Reden aufforderte. Tausende Male war Arvid diese Rede im Kopf durchgegangen, doch er hatte kaum angefangen zu sprechen, da unterbrach Sigurd ihn auch schon:
„Ich weiß, weshalb du hier bist. Wegen der Halle für deine Schriftrollen und der Schule, die du darin aufbauen willst. Ich kann dir nur das sagen, was dir Olan bereits gesagt hat. Sobald alle Menschen hier ein Dach über dem Kopf haben und die Siedlung befestigt ist, werden wir deine Halle bauen, doch zuvor gibt es Wichtigeres.“
Er verstand es einfach nicht. Arvid hätte vor Wut aufheulen können. Es ging ihm nicht um sich, sondern um die Schriftrollen, die das Wissen seines Volkes enthielten. Er, der erst drei Jahre lang Lehrling gewesen war, war der letzte Hüter des Wissens seines Volkes und wenn er starb, dann war alles vorbei. Das musste doch auch ein Krieger wie Sigurd einsehen. Vor allem da die Gelehrten der Maegrin nicht nur die Bewahrer der Überlieferung ihres Volkes waren, sondern auch in Magie und Heilkunde bewandert waren und ihren Nutzen in den letzten Jahren doch eindeutig unter Beweis gestellt hatten. Er war schon dabei Sigurd eine wütende Antwort entgegen zu schleudern, als er die müden Augen des alten Mannes sah und so sagte er nur:
„Aber ihr müsst bedenken, dass ich der Letzte bin, ich bewahre das Wissen unseres Volkes.“
„Das Wissen unseres Volkes bewahrst nicht du allein, junger Mann, sondern wir alle. Jeder von uns trägt sie in sich, die Geschichten seiner Väter und Großväter, die alten Sagen und die alten Traditionen. Alles hier drin.“
Bei diesen Worten schlug er sich bekräftigend auf die Brust: „Zuerst müssen wir uns auf den Winter, der in wenigen Wochen über uns hereinbrechen wird, vorbereiten. Hütten müssen fertiggestellt weitere Boote für den Fischfang gebaut werden und mir wäre wesentlich wohler ums Herz, wenn der Wall um die Siedlung zumindest etwas höher wäre als die Schweine, die früher im Garten unseres besten Knechtes gehaust haben.“
Schweigend stand Arvid da, aber noch war er nicht bereit aufzugeben.
„Du siehst wir haben wichtigeres zu tun und allein die Schlachten dieses Jahres haben Anlass zu genug neuen Sagen gegeben. Vielleicht ist so ein Neuanfang ja auch ganz gut, in den letzten Jahren war nicht alles beim Besten.“
Stumm nickte Arvid. Er wusste jetzt schon, dass er sich später über sein Nachgeben ärgern würde, aber dem durchdringenden Blick Sigurds und seinen ruhigen Worten konnte man kaum widersprechen. Seine wortlose Zustimmung schien aber sogar Sigurd zu rühren:
„Ich zweifle doch nicht an deinen Motiven, Junge, aber im Moment geht es nicht anders. Vielleicht kannst du deine Schriftrollen ja im Tempel Tuins einlagern?“
Arvid zuckte zusammen, brachte es aber noch fertig kurz zu nicken, bevor er sich umdrehte und zügig die Halle verließ. Im Tempel. Vermutlich wusste Sigurd nichts von den Konflikten zwischen Magiern und den Tempeln, aber dennoch musste er doch genug Verstand haben, um die Probleme wenigstens zu erahnen. Die Tempel sahen Magie als göttlich an und aus ihrer Sicht waren damit nur sie befugt, sie auszuüben, obwohl sie sie seit Jahrhunderten nicht mehr weiter entwickelt hatten.
„Ganz im Gegensatz zu den Hütern des Wissens“, wie Arvid zufrieden dachte. Oder hielt Sigurd diesen alten Konflikt jetzt, in diesem neuen, feindlichen Land, für bedeutungslos? Schnell schob Arvid den Gedanken beiseite. Manche Dinge änderten sich nie, egal unter welchen Umständen, und der Konflikt mit den Tempeln gehörte sicherlich dazu.
Bedrückt machte er sich auf den Heimweg. Mit etwas Glück würde das Licht des Feuers im Langhaus ausreichen, um noch etwas in den alten Handschriften zu lesen. Wobei er sie wohl am besten in ihren Hüllen beließ, die feuchte Luft und mangelnde Pflege hatten ihnen schon genug zugesetzt. Leise seufzte er auf und beschloss, sobald wie möglich schlafen zu gehen. Am nächsten Morgen würde es wieder eine Beratung geben und je früher man dort war, desto besser die Chancen gehört zu werden. Bald hatte er das aus groben Balken zusammengezimmerte Langhaus erreicht, in dem er mit gut zwei dutzend anderen Maegrin schlief. Die übelriechende Luft, die ihm entgegenschlug, als er die Tür öffnete, ließ ihn fast umdrehen, doch er zwang sich einzutreten. Dichter Rauch aus der Feuerstelle brachte seine Augen zum Tränen und halbblind
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