Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
es enthielt. Aladzio beobachtete, wie Azdeki das Buch hoch über den Kopf hielt wie eine Standarte, um die sich ein Heer versammelt, und die Stimme erhob.
»Das Liaber Dest ist in die Hände der Menschen zurückgekehrt, so wie es sein sollte. Uns obliegt nun die schöne, aber schwere Aufgabe, der Welt diese Herrlichkeit zurückzugeben.«
Alle hatten gewusst, worum es ging. Und alle waren sie von einem unerschütterlichen Glauben beseelt. Plötzlich war das für unmöglich Gehaltene Wahrheit geworden. Das Heilige Buch war keine Legende mehr. Azdeki legte das Schwert auf den Altar und griff nach seinem Dolch.
»Das Flüstern der Götter ist in diesem Buch festgehalten. In ihm finden wir die Geschicke der Menschen und der Großen dieser Welt, denen die schwierige Aufgabe zufällt, die Herde zu leiten. Seht dieses unzerstörbare Buch. Es wäre vermessen, an seinem Inhalt zu zweifeln.«
Er holte aus und stieß mit seinem Dolch auf das Buch ein. Die Ratsherrn hielten den Atem an. Die Klinge des Dolchs zerbrach am Einband, doch auf dem Buch war nicht die geringste Spur zu sehen. Scheppernd fielen die Klingenteile zu Boden.
»Bindet den Bischof los«, sagte Azdeki zu den Hellebardieren. »Wir übergeben ihn den Mönchen, die mit ihm nach ihrem Gutdünken verfahren dürfen.«
Die Soldaten taten, wie geheißen. Azdeki legte das Buch auf den Altar, nahm sein Schwert wieder an sich und wandte sich an die Fangol-Mönche, die unbeweglich und schweigend zugesehen hatten. Aladzio nutzte den Augenblick, um sich bis zur nächsten Säule zurückzuziehen.
»Ich bitte Euch, meine Geste als Beweis meines guten Willens anzusehen. Die Reyes haben Fangol geschwächt, um Euch kontrollieren zu können. Ihr habt nun jede Freiheit. Jetzt möchte ich Euch bitten, uns anzuerkennen. Erkennt unser Schicksal an, wie es im Heiligen Buch geschrieben steht.«
Anvelin stöhnte. Die Soldaten mussten ihn stützen. Seine nackten Füße hatten kaum noch Kraft, an seinen schmutzbedeckten Beinen klebte Blut.
»Nein, Azdeki«, keuchte er. »Ihr seht nur das, was Ihr sehen wollt. Ihr versteht nicht. Ich bin der Fangol-Orden! Nicht sie! Nicht sie! Diese Männer sind Ketzer …«
Seine Stimme erstarb. Die Soldaten ließen ihn vor die Füße der gleichmütigen Mönche fallen.
Azdeki brauchte die Unterstützung der Mönche. Sobald die letzten Hüter der Religion ihn anerkannt hätten, wäre er legitimiert. Aber um was damit anzufangen? Die Macht zu ergreifen? Die Republik zu stürzen? Er biss die Zähne zusammen. Man sah ihm seine Befürchtungen an.
Hastige Schritte näherten sich im Korridor.
»Wir haben das Volk vom Joch der Reyes befreit«, fuhr Azdeki fort.
Zu Füßen der Mönche versuchte Anvelin, sich aufzurichten. Er stützte die Hände auf den Boden. Die Muskeln seiner abgemagerten Arme spannten sich.
»Dieser Verrückte hier sprach in Eurem Namen, obwohl er wusste, dass das Liaber bei den Usters versteckt war. Immer hat er uns die Gefahr verborgen und das Wort der Götter verleugnet. Erkennt mich an. Das, was heute Abend hier geschieht, ist kein Zufall.«
Zwei Schatten huschten an den Füßen des vor der ersten Statue postierten Soldaten vorbei. Laerte und Dun betraten mit gezückten Schwertern den Raum. Die Ratsherrn gerieten in Bewegung. Sofort blockierten die Soldaten die Tür, um den beiden Rittern den Rückweg abzuschneiden. Einige der Anwesenden ertappten sich bei der Mutmaßung, Azdeki könne die Überraschung geplant haben, andere wiederum glaubten unbeirrt, dass das alles bereits seit Jahrhunderten geschrieben stand. Und als wollte er sie in ihrer Überzeugung unterstützen, schlug Azdeki einen ruhigen, aber bedrohlichen Ton an.
»Die Götter lassen sich auf kein Glücksspiel ein.«
Dun hatte sich rasch zu den Soldaten hinter ihm umgeblickt, doch Laerte hatte nur Augen für den vor dem Altar stehenden Ratsherrn. Das allgemeine Schweigen schien Ewigkeiten zu dauern. Rhunstag und Bernevin stellten sich an die Seite Azdekis. Azinn zog sich hinter die Fangol-Mönche zurück, als hoffte er, bei ihnen Schutz zu finden. Die meisten erkannten den grünen Umhang, der nach dem Mord an Enain-Cassart am Hafen so viel von sich hatte reden machen. Über den alten Ritter im Harnisch hingegen wusste fast niemand etwas.
»Oh, welche Freude«, murmelte Dun, ehe er wieder zu seinem Zögling aufschloss, der in der Mitte des Spaliers stehen blieb.
Erschrocken erkannte er, wie dünn Anvelin Evgueni Reyes geworden war. Sein Gesicht wurde hart. Daermon
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