Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
und erklomm ein paar in die Erde gegrabene Stufen, die zum Lager hinaufführten. »Also kann man das Gebiet als gehalten ansehen.«
Tatsächlich? Etienne Azdeki, Neffe des Barons Azinn Azdeki, der über die Baronien im Osten des Vershan herrschte, stand nicht gerade in dem Ruf, besonders weise zu sein, und um seine Qualitäten als Stratege stand es noch schlechter. Dass der Kaiser ihm überhaupt die Gegend der Salinen anvertraut hatte, mochte ein Irrtum gewesen sein, doch nachdem dort ein Krieg drohte, war es fast ein Ding der Unmöglichkeit. Etienne Azdeki war ohne die geringste Kampferfahrung zum Hauptmann ernannt worden. Sein Handeln war nicht von Vernunft geprägt, sondern von reiner Willkür.
»All das spielt jetzt keine Rolle mehr«, sagte Dun-Cadal. »Der Kaiser hat mich hergeschickt, um die Truppen zu koordinieren. Azdeki muss also tun, was ich befehle.«
»Ganz schön selbstsicher, Freund Daermon«, lächelte Negus.
»Ich fühle mich hier wie in den Armen einer Kurtisane«, grinste er. »Die Liebe ist wie ein Krieg und ein Krieg wie die Liebe.«
Zwischen dem hohen Sumpfgras standen Zehntausende dunkelgrüner Zelte. Hier und da übten sich Ritter in Rüstung in einem Kreis neugieriger Zuschauer im Kampfsport. Das Warten war gefährlicher als eine Schlacht, denn die Langeweile schläferte die Soldaten ein. Außerdem hatten sie zu viel Zeit, um über drohende Gefahren nachzudenken, was ihnen im Fall eines Angriffs jeglichen Antrieb rauben konnte. Zwei Wochen – in einem Krieg bedeutete das nicht viel, doch es war lang, wenn nicht einmal das kleinste Scharmützel das Nichtstun unterbrach. Dun-Cadal befürchtete, dass die Aufständischen der Salinen genau auf diese Lethargie abzielten.
Als er die purpurnen Vorhänge des Zelts zurückschlug, in dem der Generalstab tagte, wusste er sofort, dass es bereits zu spät war, um die Revolte binnen kurzer Zeit unter Kontrolle zu bringen.
»Sie versammeln sich in der Hauptsache hier.«
Über ein großes Modell gebeugt, das die Salinen darstellte, deutete ein Ritter in schwarzer Rüstung auf eine Linie, die einem Wäldchen folgte. Ihm gegenüber stand ein ausgemergelter, etwa dreißigjähriger Mann mit Adlernase und dünnen Lippen, der mit auf dem Rücken verschränkten Händen aufmerksam zuhörte. Auf seinem silbernen Brustharnisch hielt ein stolzer Adler eine Schlange in den Fängen. Es war das Wappen der Familie Azdeki – eine Anerkennung ihrer Verdienste in den Kämpfen der kaiserlichen Zivilisation gegen die Nomaden der Nâaga bis zu deren Unterwerfung.
»Unsere Späher haben versucht, sich zu nähern und die genaue Anzahl ihrer Katapulte in Erfahrung zu bringen, doch sie wurden jedes Mal entdeckt. Zwei von ihnen sind nicht zurückgekehrt.«
Fünf Ritter umstanden das Modell, und jeder trug die Rüstung in den Farben seines Hauses. Sie gehörten zum Hochadel des Landes, der der kaiserlichen Familie den Treueid geschworen und seine Söhne zur Militärakademie geschickt hatte, damit sie in der Großen Armee ehrenvoll dienen konnten. Nur die erfahrensten unter ihnen erreichten den Rang eines Generals. Dank seiner Ernennung zum Hauptmann der Grafschaft Uster hatte Etienne Azdeki den Oberbefehl über alle Anwesenden, obwohl sie ihm im Rang teilweise überlegen waren. Das galt für alle Anwesenden, mit Ausnahme von Dun-Cadal. Als der junge Adlige seiner ansichtig wurde, erstarrte er.
»Rechnet mit ungefähr doppelt so vielen Katapulten wie zu den Zeiten, als Ihr die Situation noch unter Kontrolle hattet«, sagte Dun-Cadal und trat einen Schritt vor, ohne auf die grüßenden Soldaten zu achten.
»General Daermon«, nickte Azdeki höflich, aber trocken.
Dabei deutete er eine Verbeugung an, die ihm sichtlich schwerfiel.
»Azdeki«, antwortete Dun-Cadal kühl, ehe er sich an die anderen Ritter wandte. »Schön, Euch hier alle wiederzusehen. Allzeit bereit, den Bauern einen Tritt in den Hintern zu versetzen, was?«
»Ihr habt wirklich keine Zeit verloren«, stellte ein Ritter in schwarzer Rüstung erfreut fest.
»Nun, ich habe mich beeilt, Tomlinn. Und es fällt mir schwer zu glauben, dass sich die Situation seit dem Aufstand nicht verändert hat.«
Mit einem raschen Seitenblick registrierte Dun-Cadal, dass sich Azdekis Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln verzogen hatten. Der Kaiser schätzte den General mehr als alle anderen, und es kursierten Gerüchte über die Gründe für so viel Unterstützung, doch nur wenige konnten sich damit brüsten, die Wahrheit zu
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